Strafanzeige gegen Staatsanwalt während des Plädoyers

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Strafanzeige wegen Strafvereitelung

In dem Strafprozess am Landgericht Weiden waren letzten Freitag die Plädoyers fällig. Der Staatsanwalt plädierte  wegen Misshandlung und Mord eines Kindes auf eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Tötung sei aus niedrigen Beweggründen erfolgt.

Wer war der Täter

Der Angeklagte hatte die Tat bestritten. In einer 30 seitigen Einlassung legte er zu Prozessbeginn vor 3 Wochen dar, wie die Mutter ihr eigenes Kind getötet habe. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft verzichteten weitestgehend darauf, den Angeklagten persönlich nach der Verlesung der Einlassung zu befragen. Für den Staatsanwalt stand nach seinem Plädoyer fest, dass der Angeklagte der Täter war. Das war auch logisch. Jedenfalls für ihn, nicht für den Strafverteidiger.

Strafverteidiger stellt Strafanzeige gegen Staatsanwalt

Das Plädoyer der Verteidigung ging von einer Aussage gegen Aussage Konstellation aus. Die Einlassungen des Angeklagten waren nicht widerlegt worden. Im Hinblick auf Dutzende Falschaussagen der Mutter war diese aus hiesiger Sicht völlig unglaubwürdig.

Also forderte ich einen auf den Zweifelsgrundsatz gestützten Freispruch. Der spezifischen Logik des Staatsanwalts hinsichtlich der Schuld des Angeklagten bleibt wegen seiner Absurdität ein gesonderter Beitrag vorbehalten.

Tatsache ist, dass die Anklagebehörde in Kenntnis der Anwesenheit der Mutter am Ort des Geschehens nie auf den Gedanken kam die Sache mit zwei Augen zu betrachten. So sagte ein Vernehmungsbeamter auf meine Frage nach dem "warum" für unterlassene Ermittlungen in Richtung der Mutter merkwürdiges aus. Die Frage habe sich nicht gestellt. Der Staatsanwalt habe angewiesen nur gegen den Angeklagten zu ermitteln. Der sei vorbestraft und als gewalttätig bekannt. Die Mutter dagegen sei ein unbeschriebenes Blatt. Daher konnte es mit dieser beschränkten Logik des Staatsanwalts auch nur einen Täter geben. Das machte ich ihm während des Plädoyers zum Vorwurf. Und da dieser Vorwurf keinen Showeffekt für die Medien im Saal darstellte, erstattete ich Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt.

Strafanzeige gegen die Mutter und Nebenklägerin

Auch gegen die Mutter stellte ich während des Plädoyers Strafanzeige. Nämlich wegen des Verdachts des Totschlags oder der fahrlässigen Tötung jeweils durch Unterlassen und wegen unterlassener Hilfeleistung. Denn wenn die Mutter, wie sie bekundete,  die Schreie ihres Kindes und Schläge "wie gegen einen Boxsack" gehört hatte, hat sie dich danach tatverdächtig gemacht. So habe sie nach diesen Wahrnehmungen die Wohnung verlassen. Mit dem Auto fuhr sie ins Krankenhaus und ließ sich dort stationär aufnehmen. Sie hatte ein 3 x 3 cm kleines Hämatom am Kopf. Die Kopfhaut war nicht eingerissen. Hilfe für ihren Sohn holte sie nicht. Der Sohn verstarb Stunden später an seinen erlittenen Kopfverletzungen. Bei der Reanimation 8 Stunden später war der Körper des Jungen noch warm. Wenn hypothetisch der Angeklagte die Kopfverletzungen verursacht hat, dann wäre zu untersuchen gewesen, ob sich die Mutter im Sinne der nun erfolgten Strafanzeige mitschuldig gemacht hat.

Urteil wie Antrag des Staatsanwalts

Die Schwurgerichtskammer hatte nach 9 Verhandlungstagen und Dutzenden vernommenen Zeugen sowie Sachverständigen eine harte Nuss zu knacken. Das merkte man besonders an der selten langen Urteilsberatung, die wie ein Marathonlauf ohne Pause bemerkenswerte 45 Minuten (nicht Stunden!) andauerte. Freitag ab eins macht jeder seins. Das Urteil war schnell verkündet. Dann war endlich Wochenende. Die mündliche Begründung werde ich niemandem vorenthalten. Fortsetzung folgt.


Staatsanwalt als Opfer einer Misshandlung

 

 

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Staatsanwalt von Strafverteidigern misshandelt

Die Behauptung, ein Staatsanwalt sei misshandelt worden, ist natürlich nur eine Hypothese. Und erst recht würden Rechtsanwälte niemals einen Staatsanwalt misshandeln. Jedenfalls nicht vorsätzlich. Und wenn doch, so nur im Interesse der Wahrheitsfindung. Realistischer wäre die Frage, ob sich dennoch ein Staatsanwalt misshandelt fühlen könnte und wie er dann reagiert.

Staatsanwalt kein Schutzbefohlener

Nun wissen wir um die Strafbarkeit der Misshandlung Schutzbefohlener. Darunter fallen Staatsanwälte regelmäßig nicht. Das wissen die Vertreter der Anklagebehörde natürlich auch. Und wenn sie sich misshandelt fühlen so können sie mit dem StGB nicht viel machen gegen die nicht strafrechtlich relevant handelnden Strafverteidiger in der Hauptverhandlung.

Kann sich ein Anklagevertreter misshandelt fühlen?

Auch wenn ich nicht in die Köpfe der Staatsanwälte und in ihr wahres Gefühlsleben eindringen kann, so meine ich die Frage bejahen zu können. denn auch sie sind halt Menschen, auch wenn manche es kaum glauben wollen. Das erkläre ich mit meinem Bauchgefühl. Und das ist im Laufe der Praxisjahre entstanden, wobei eine Zunahme des  gefühlten Bauchgefühlsumfangs nicht zu verhehlen ist.

Die hypothetisch denkbare Misshandlungsmethode

Denkbar wäre als Ort des Misshandlungsgeschehens der Sitzungssaal eines Gerichts. Darin tobt die Hauptverhandlung und die Strafverteidiger toben sich aus. Hier geht um den Anklagevorwurf der Misshandlung Schutzbefohlener und um eine spätere Tötungshandlung an dem schutzbefohlenen Kind. Als Täter für die Misshandlung kommt nur der Angeklagte in Frage. Aber für die Tötungshandlung kommt daneben auch eine weitere Person in Betracht, die im relevanten Zeitraum ebenfalls am Tatort verweilte. Die Misshandlungsmethode ist die Befragung von Zeugen durch die Strafverteidiger.

Der Misshandlungsvorwurf der Anklage

Die Anklage unterstellt dem Angeklagten, dem schutzbefohlenen Kind das Essen entzogen zu haben. Auch habe er ihn geschlagen, wodurch das Kind mit blauen Flecken übersät gewesen sei.

Ein Vernehmungsbeamter wird von den Strafverteidigern zeugenschaftlich befragt. Er will wissen, ob und wenn welche Erkenntnisse ermittelt wurden, die eine mögliche Täterschaft der zweiten Person hinsichtlich der Tötungshandlung betreffen. Der Zeuge druckst rum. Der Staatsanwalt wird unruhig und fahrig. Auch lüftet er das Hinterteil abwechselnd, rutscht von einer Hälfte zur anderen.

Deshalb scheint es, der Strafverteidiger habe dem Staatsanwalt mit dieser Fragestellung eine brennende Fackel unter das Gesäß gepackt. Die Misshandlung schien ihre Wirkung zu zeigen. Noch furchtbarer wurden die Qualen des Staatsanwalts, als der Zeuge von der Polizei die Frage auch noch ehrlich beantwortet. Und so führt er dann aus, dass es eine Weisung des Staatsanwalts gegeben habe, wonach gegen den Angeklagten zu ermitteln sei. An diese Weisung habe man sich gehalten. Deshalb seien weitere Ermittlungen unterblieben, die eine mögliche Tatbegehung der zweiten am Tatort anwesenden Person betreffen. Das veranlasste den Strafverteidiger zu der höchst dümmlichen, aber körperliche Schmerzen verursachenden Frage nach dem warum. Und da war dann auch die Schmerzgrenze des Staatsanwalts überschritten. Er schrie auf und rügte nicht formell aber zeternd die Unzulässigkeit der Fragestellung. Damit drang er aber nicht durch beim Gericht. Vermutlich war das die dritte Misshandlungsattacke nach dem Strafverteidiger und dem Zeugen.

Eine Entschuldigung des Anwaltstäters

Hiermit entschuldige ich mich für die erfundene Geschichte. Die ist meiner überschäumenden Phantasie zuzuschreiben. Dafür kann nur ein krankes Anwaltshirn verantwortlich sein.

 

 

 


Befangenheitsantrag gegen Richter im Weidener Mordprozess

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Befangenheitsantrag wegen Interview vor Prozessbeginn

Ein Fernsehinterview eines Mitglieds der 1. Schwurgerichtskammer war Anlass für einen Befangenheitsantrag in dem Weidener Strafverfahren wegen Totschlags bzw. Mordes eines Kindes.

Sachverhalt zum Befangenheitsantrag

Am 11.10.2016 gab ein beisitzender Richter  dem Fernsehsender „Oberpfalz TV" ein Interview. Dieses Interview gab er gegen 8:45 Uhr des 11.10.2016 und somit vor Beginn des Strafprozesses, der auf 9:00 Uhr des gleichen Tages terminiert war. Der ihn interviewende Fernsehjournalist stellte dem Richter folgende Frage zu dem anstehenden Strafprozess: „Was ist das mögliche Strafmaß bei einer Verurteilung?"

Die Frage beantwortete der Richter Herr  wie folgt: „Bei einer Verurteilung wegen Mordes wäre als Strafe die lebenslange Freiheitsstrafe auszusprechen, im Falle einer Verurteilung wegen Totschlags wäre eine Freiheitsstrafe  zwischen 5 und 15 Jahre, im besonders schweren Fall auch lebenslänglich möglich."

Die Gründe für den Befangenheitsantrag

Mein Mandant ließ daraufhin gegen den interviewten Richter einen Befangenheitsantrag stellen und begründete ihn im wesentlichen wie folgt.

Alternativlose verurteilung wegen Totschlag oder Mord

Die Ausführungen des Richters vermitteln den Eindruck fehlender Objektivität und bereits erfolgter Festlegung auf eine alternativlose Verurteilung entweder wegen Totschlags oder Mordes. So beinhalten seine Äußerungen lediglich Ausführungen zum unterschiedlichen Strafrahmen bzw. Strafmaß bei diesen beiden Straftatbeständen.

Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ausgeschlossen

Der Eindruck einseitiger Festlegung auf Verurteilung wird auch dadurch hervorgerufen, dass die Ausführungen des Richters eine alternative Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge vermissen lassen.

Auch berücksichtigte der Mandant die völlig allgemein gehaltene Fragestellung des Journalisten.  Dabei wurde ohne jegliche Bezugnahme und Begrenzung auf konkrete Straftatbestände lediglich das mögliche Strafmaß im Falle einer Verurteilung hinterfragt.

In diesem Kontext ist der Mandant der Auffassung, dass ein Richter in jeder Situation eines laufenden Strafverfahrens seine Objektivität und Unparteilichkeit bei Beantwortung der Frage nach außen unter Beweis zu stellen hat. Daraus ergibt sich zwingend die Anforderung an jeden Richter, bei einer - wie hier – völlig allgemein gehaltenen Fragestellung zum Strafmaß der Antwort durch konkretisierende und ergänzende Angaben einen Inhalt zu verleihen. Nur so können Zweifel an der Objektivität und Unparteilichkeit vermieden werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Fehlende Unparteilichkeit des Richters

Unparteilich wäre die Antwort nur dann gewesen, wenn der Richter unmissverständlich klargestellt hätte, dass das Gericht in der noch anstehenden Beweisaufnahme zunächst zu einem Schuldspruch kommen müsse und nur dann eine Verurteilung in Betracht käme. Die Möglichkeit eines Freispruchs wird von dem Richter erst gar nicht erwähnt.

Anschließend und mindestens wäre es erforderlich gewesen zum Ausdruck zu bringen, dass sich das Strafmaß - sollte ein Schuldspruch erfolgen - eben auch aus einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und eben nicht nur aus dem für Totschlag und Mord vorgesehenen Strafrahmen ergeben kann.

Anforderungen an Richter bei öffentlichen Äußerungen

Kein Richter ist verpflichtet, Fragen in der Öffentlichkeit zu beantworten. Wenn er sich aber dazu entscheidet, ist er dazu verpflichtet, seine Unparteilichkeit unter allen Umständen unter Beweis zu stellen. Gerade deshalb wäre es erforderlich gewesen, der allgemein gehaltenen Fragestellung einen konkretisierenden Antwortinhalt hinzuzufügen.  So aber erweckten die begrenzten Ausführungen den Eindruck, der Richter habe sich schon vor Prozessauftakt und vor Beweisaufnahme festgelegt. Entweder Verurteilung wegen Mordes oder wegen Totschlags, wobei nur noch über das Strafmaß in Abhängigkeit der Anwendung des jeweiligen Straftatbestandes zu entscheiden ist. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge scheint bereits ausgeschlossen.

Gericht wies Befangenheitsantrag zurück

Die Gründe, mit dem der  Befangenheitsantrag abgewiesen wurden, fielen knapp aus. So sei der für befangen erklärte Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan der Pressesprecher des Gerichts. In dieser Eigenschaft habe er sich öffentlich  geäußert. Das müsse ein verständiger Angeklagter erkennen. Auch habe er im Interview nicht erwähnen müssen, dass auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht käme.  Denn die Anklage ginge von Totschlag aus und der Eröffnungsbeschluss enthalte einen rechtlichen Hinweis. Danach käme auch Mord aus niedrigen Beweggründen in Betracht.

Befangenheitsantrag und Revision

Jeder mag seine Meinung zu den Gründen im Befangenheitsantrag und im Beschluss des Gerichts haben. Hier jedenfalls überzeugt die Begründung des Landgerichts weder den Angeklagten noch den Strafverteidiger. Sollte es notwendig sein, ist das sicherlich ein Thema mit Potential für die Revision vor dem BGH.


Ist Zeugin Totschlägerin des eigenen Sohnes?

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Zeugin bekundet diffuses im Weidener Totschlagsprozess

In dem vorgestern (11.10.16) vor dem Landgericht Weiden begonnenen Strafprozess hat der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Totschlag eines neunjährigen Jungens bestritten. Näheres zum Sachverhalt findet sich hier und hier.

Mutter wurde als Zeugin vernommen

Am gestrigen zweiten Prozesstag (12.10.16) wurde die Mutter zeugenschaftlich vernommen. Etwa 6 Stunden musste sie sich den Fragen des Gerichts, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft stellen. Und die lange Vernehmung hatte ihre Ursachen: Die polizeilichen Zeugenvernehmungen weisen eine unübersehbare fehlende Konstanz auf. Sie sind gekennzeichnet durch lückenhafte Darlegungen. Lange Zeit gab sie an, sich an die Vorfälle nicht erinnern zu können und beharrte auf einem Unfall beim Duschen, bei dem der Sohn ausgerutscht und so zu Tode gekommen sei. Erst viel später kippte ihr Aussageverhalten. Plötzlich sei es der Angeklagte gewesen, der den Sohn im Badezimmer geschlagen habe. Allerdings habe sie das nicht gesehen, sondern nur gehört. Es seien dumpfe Geräusche und Schreie ihres Sohnes zu hören gewesen. Die diesbezüglichen Bekundungen sind von kaum zu überbietender Detailarmut gekennzeichnet. Die Frage der Vernehmungsbeamten, warum sie in dieser Situation den Ort des Geschehens verließ, in ein Krankenhaus fuhr und sich dort stationär aufnehmen ließ, jedoch die Polizei nicht verständigte, konnte sie schon damals nicht aus eigenem Antrieb beantworten. Auch bei ihrer heutigen gerichtlichen Vernehmung stellte sich die Aussagequalität nicht anders als bei der Polizei dar: detailarm, inkonstant, lückenhaft, widersprüchlich, unschlüssig und lebensfremd.

Aussage gegen Aussage

Aus Sicht der Verteidigung ist zum jetzigen Zeitpunkt der Beweisaufnahme von einer Aussage gegen Aussage Konstellation auszugehen. Der Angeklagte beschuldigt die Zeugin und Mutter der Tat, die Mutter den Angeklagten. Allerdings gibt es einen qualitativen Unterschied: während die Bekundungen der Zeugin die vorgenannten Schwachpunkte hinsichtlich der Glaubwürdigkeit aufweisen, sind die Einlassungen des Angeklagten detailreich, logisch, schlüssig und jedenfalls bisher nicht wiederlegbar.

Ist die Zeugin die Täterin?

Weil zum relevanten Zeitpunkt nur die Zeugin und der Angeklagte am Tatort waren, kann auch nur einer von beiden oder - alternativ -könnten beide Täter sein. Der Prozess ist ergebnisoffen. Die Darstellung in diesem Fernsehbeitrag, wonach die Mutter den Angeklagten schwer belaste, dürfte unter juristischen Gesichtspunkten so indifferent jedenfalls nicht haltbar sein.


LG Weiden: Misshandlung und Totschlag eines neunjährigen Jungen?

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Anklage lautet auf Misshandlung und Totschlag eines Kindes

Heute, dem 12.10.2016, hat am Landgericht Weiden in der Oberpfalz ein Strafprozess wegen Misshandlung und Totschlags begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft meinem Mandanten vor, den Jungen erst gequält und später getötet zu haben. Die Tat habe sich laut Anklage 2014 ereignet. Der Eröffnungsbeschluss des Landgerichts enthält einen rechtlichen Hinweis, wonach auch Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegen könnte. Solche Hinweise sind regelmäßig zu erteilen (wie hier), damit der Angeklagte seine Verteidigung auf eine mögliche veränderte Rechtslage einstellen kann.

Misshandlung während der Betreuung

Die Kindesmutter soll 8 Wochen wegen einer Erkrankung zu einer Kur gewesen sein. In dieser Zeit habe sie ihren Sohn der Betreuung durch den Angeklagten anvertraut. Zu diesem Zweck habe sie ihm mit einer notariell beurkundeten Erklärung auch das Sorgerecht übertragen. Während die Mutter zur Kur und der Junge in der Obhut des Mandanten gewesen sei, habe er ihn in unterschiedlicher Weise misshandelt. In der Anklage werden dazu Schläge, Strafarbeiten u.a.m. benannt. Die Folge sei gewesen, so die Anklage, dass der Junge den Lebensmut verloren hätte.

Tötung des Jungen

Nach der Rückkehr der Mutter soll ihr Sohn im Badezimmer ihrer Wohnung getötet worden sein. Das gerichtsmedizinische Gutachten geht von massiven Schlägen gegen den Kopf aus, die zu inneren Verletzungen und so zum Tod geführt hätten.

Mutter ging von Unfall aus

Die als Zeugin vernommene Mutter soll erklärt haben, dass der Junge beim Duschen ausgerutscht und gestürzt sei. Ihm sei dann schlecht gewesen. Er sei noch selbst ins Bett gegangen, am nächsten Morgen habe ihn ihr Bekannter (der Angeklagte) tot im Bett aufgefunden. Später soll die Zeugin ihr Aussageverhalten geändert und meinen Mandanten massiv belastet haben. Es ist davon auszugehen, dass sich im Zeitraum der möglichen Gewalteinwirkung die Mutter durchgehend und der Angeklagte zeitweise am Ort des Geschehens befunden haben.

Besonderheiten des Strafprozesses

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe, aber er schweigt nicht. Er lässt sich mit einer von seinem Verteidiger verlesenen Erklärung zu den Anklagevorwürfen ein und steht auch zur Beantwortung von Fragen durch das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten zur Verfügung. Zunächst sind 9 Hauptverhandlungstage anberaumt worden. Näheres zum Prozessauftakt auch hier und hier.

 


Strafzumessung bei 4,5 kg Chrystal Meth

Rechtsanwalt, Strafrecht, Chrystal Meth: Revision der Staatsanwaltschaft scheitert vor BGH
Rechtsanwalt Oliver Marson

Chrystal Meth: Revision der Staatsanwaltschaft scheitert vor BGH

In einem Strafverfahren  wegen des Handels mit 4,5 kg Chrystal Meth und mit Ecstasy sprach das Berliner Landgericht am 09.12.2015 sein Urteil gegen zwei Mandanten: 5 Jahre  und 3 Monate Freiheitsstrafe (§ 29a BtMG). Der Verfall wurde in Höhe von 14.800 €, der erweiterte Verfall in Höhe von ca. 450.000 € angeordnet. Damit schloss sich das Gericht weitestgehend den Anträgen der Strafverteidiger an und blieb weit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 8 Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte. Die Verteidigungsstrategie der Mandanten trug ganz wesentlich zu dem maßvollen Urteil bei. Darüber berichtete ich bereits hier.

Revision der Staatsanwaltschaft wegen Lücken bei Strafzumessung

Die Berliner Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein und beschränkte das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch (Strafzumessung). Der Generalstaatsanwalt beantragte mündliche Verhandlung. Die fand nun am 14. September 2016 vor dem 5. Strafsenat des BGH in Leipzig statt. Dort trug der Oberstaatsanwalt die aus seiner Sicht bestehenden Lücken, die das Urteil zu Gunsten der Angeklagten nach seiner Ansicht aufweise, mündlich vor. So wurde gerügt, dass dem Geständnis der Angeklagten zum Handel mit Chrystal Meth ein zu hoher Stellenwert (strafmildernd) eingeräumt worden sei, weil die "Beweisdichte" ohnehin zum Schuldspruch geführt hätte. Auch habe es eine Überbewertung hinsichtlich der Offenbarungen gegeben, in welchem Umfang Gewinne aus den Drogengeschäften erzielt wurden und auf welchen Konten die Gelder im Ausland deponiert wurden. Denn auch das sei im Vorfeld ermittelt worden. Gerügt wurde daneben, dass das Landgericht Berlin die Art und Weise des Handels mit Chrystal Meth  (Vorratshaltung in der eigenen Wohnung und Verkauf in der Wohnung bzw. über den Postweg) nicht in die Strafzumessung einbezogen habe. Auch So habe das Landgericht die Gefährlichkeit von Chrystal Meth nicht erkannt. Es sei lediglich von einer "gefährlichen" statt von einer "sehr gefährlichen" Droge ausgegangen.

Strafverteidiger widersprachen Rechtsargumentation

Wir Verteidiger widersprachen in unseren mündlichen Vorträgen vor dem BGH der Rechtsauffassung des Generalstaatsanwalts. So ist ein von Reue und Einsicht getragenes Geständnis auch dann strafmildernd zu berücksichtigen, wenn die Beweislage auch ohne ihm einen Schuldspruch zur Folge haben könnte. Jedenfalls gibt es keinen Zusammenhang zwischen einer hohen "Beweisdichte", die die strafmildernde Wirkung des Geständnisses schmälern würde. Der sachlich falsche Vortrag, es seien alle Konten und Drogengelder in siebenstelliger Höhe ohne Zutun der Angeklagten ermittelt worden, wurde widersprochen. Tatsächlich hatten sie dem Gericht ein der Staatsanwaltschaft nicht bekanntes Auslandskonto mit erheblichen Drogengeldern im sechsstelligen Bereich preisgegeben. Auch die Art und Weise des Handeltreibens wies nichts auf, was besonders war oder auf gesteigerte hohe kriminelle Energie schließen ließ. Im Gegenteil: der Handel über die eigene Wohnung war einfach strukturiert. Die Küfer kamen, zahlten und erhielten die Ware. Dass dafür natürlich Vorräte vorhanden sein mussten liegt auf der Hand und unterscheidet sich auch nicht vom legalen Handel. Und letzlich war es eine Wortspielerei ("gefährlich" statt "sehr gefährlich"), mit der die Staatsanwaltschaft versuchte, eine Lücke im Urteil ausfindig zu machen.

Urteil des BGH im Chrystal Meth - Fall

Der BGH verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 14. September 2016. Es seien dem Landgericht keine Fehler bei der Strafzumessung unterlaufen. Auch weiche die Freiheitsstrafe nicht unerträglich von vergleichbaren Fällen ab. Im Übrigen schloss sich der BGH ausdrücklich der Rechtsauffassung der Strafverteidiger an.


Richterin kann Geburt des Freispruchs nicht verhindern

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Richterin verkündet "leider" einen Freispruch

Am AG Tiergarten hatte sich im August 2016 ein Mandant wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 11 Fällen gem. §§ 176 und 176a StGB zu verantworten. Die angeblichen Straftaten liegen 8 Jahre zurück und sollen sich 2008 ereignet haben. Die Handlungen als solche räumte der Mandant nun in der Hauptverhandlung ein. Allerdings hatte er sich darauf berufen, dass die beiden Jungen nicht wie in der Anklage behauptet 13, sondern 15 Jahre, mindestens jedenfalls 14 Jahre alt waren. So hätte der eine ihm berichtet, er besuche die 9. Klasse.

Richterin vernahm die betroffenen Zeugen

Bei der gerichtlichen Zeugenvernehmung konnte sich einer der beiden Zeugen überhaupt nicht mehr erinnern, wann es zu den Handlungen gekommen sei und ob er mit dem angeklagten Mandanten über sein Alter gesprochen habe. Der andere Zeuge räumte die sexuellen Handlungen auch freimütig ein und bestätigte die Einlassung des Mandanten, ihm damals erzählt zu haben, die 9. Klasse zu besuchen. Beide Zeugen sprachen von einvernehmlichem Sex. Auf einem bei den Akten befindlichen Foto eines der Zeugen aus dem "Tatzeitraum" präsentierte sich dieser nackt und auch ansonsten in "voller Pracht". Die Richterin meinte in Übereinstimmung mit der Verteidigung, dass man vom Aussehen her eher von einem Jugendlichen statt von einem Kind ausgehen müsse.

Richterin unterbrach die Hauptverhandlung

Das Schöffengericht zog sich zu einer nicht enden wollenden Beratung zurück. Nach einer 3/4 Stunde fragte mich mein Mandant, was denn das Gericht mache. Ich meinte, die hoffen wohl, etwas in den Akten zu finden, um den schon im Geburtskanal befindlichen Freispruch noch verhindern zu können. Dann gab es ein Rechtsgespräch, bei dem die Staatsanwältin und der Verteidiger nach ihrer Rechtsmeinung befragt wurden. Frau Staatsanwältin warf den dolus eventualis in die Debatte, konnte den aber nicht so recht begründen. Ich warf nur in die Debatte, dass ich einen Freispruch beantragen werde, weil es an der subjektiven Seite ermangele (Vorsatz).

Nochmals unterbrach die Richterin die Verhandlung. Wieder dauerte es ewig, die Justizwachtmeister erschienen vor dem Saal, weil sie längst Feierabend hatten und eigentlich weg wollten.

Richterin verkündet "leider" Freispruch

Nach den Plädoyers verkündete die Richterin den Freispruch. In der mündlichen Urteilsbegründung bestätigte sich meine Vermutung, dass sie mit Verurteilungswillen an die Beweisaufnahme gegangen war und die Verhandlungsunterbrechungen vermutlich nutzte, um die Geburt des Freispruchs noch zu verhindern. Denn mehrfach betonte sie bei der Urteilsbegründung, dass der Angeklagte "leider" nicht zu widerlegen wäre, dass die Zeugen "leider" den Anklagevorwurf nicht stützen konnten und dass "leider" nach dem Grundsatz in dubio pro reo auf Freispruch zu erkennen war.

Leider den Zweifelsgrundsatz anwenden?

Ich dachte immer, Richter wenden den Zweifelsgrundsatz nicht "leider" an, sondern selbstverständlich in der Grundüberzeugung der Notwendigkeit, rechtsstaatlichen Grundsätzen praktische Geltung zu verschaffen. Aus meiner Praxiserfahrung meine ich sagen zu können, dass es leider noch mehr solche Richter gibt wie die Richterin in diesem Verfahren. Und in diesem Zusammenhang steht das "leider" ohne Anführungszeichen.

Auch andere Verfahren wie hier zeigen, wie Richter nach meiner Wahrnehmung mit Verurteilungswillen agieren. Mehr zu Straftaten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern finden Sie auch hier.


Louvre: Mona Lisa sagt "Nein" zu "Nein heißt Nein"

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Mona Lisa aus Paris zu "Nein heißt Nein" in Berlin

Gestern erlebten die Besucher des Louvre eine Pressekonferenz der besonderen Art. Zu ihr hatte nicht etwa die Museumsleitung gewogene Journalisten geladen, sie war ein spontaner Alleinauftritt der Florentinerin Lisa del Giocondo. Museumsbesucher berichteten, dass sie bei Betrachtung des Gemäldes die La Gioconda (=die Heitere) plötzlich gar nicht mehr heiter sahen. Die Gesichtszüge der sonst lächelnden Mona Lisa seien entglitten, der Blick verfinsterte sich und sie schüttelte unentwegt den Kopf.

Mona Lisa sagt "Nein" zu "Nein heißt Nein"

Auslöser für die spontane Reaktion war die Berichterstattung über Protestantinnen und Protestanten am Amtsgericht Tiergarten, die im Zusammenhang mit dem Gina Lisa Lohfink - Prozess die Losung "Nein heißt Nein" skandierten und - jedenfalls teilweise - das Gerichtsgebäude annektierten und es anschließend zu einer FKK-Enklave verwaltungsreformierten. Das Kopfschütteln der Mona Lisa wird in der Fachwelt und weltweit in der wissenschaftlichen Deutungslehre von Mimik und Gestik als eindeutiges "Nein" zu der Forderung "Nein heißt Nein" interpretiert. Das wird mit der Sinnlosigkeit begründet, die die Verankerung eines "Nein heißt Nein" - Tatbestandsmerkmals im Strafgesetzbuch mit sich bringen würde. Mona Lisa wusste schon im 16. Jahrhundert, was Protestanten im 21. noch immer nicht begriffen haben: Der Beweis einer stattgefundenen oder eben nicht stattgefundenen Sexualstraftat lässt sich mit "Nein heißt Nein" nicht (besser) führen. Daran wird auch der Gina Lisa Protest nichts ändern können.


Manchmal gibts KO-Tropfen und manchmal Gina-Lisa Lohfink

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Rechtsanwalt Oliver Marson

KO-Tropfen als Erklärung für eine Vergewaltigung

Um den Fall der Gina-Lisa Lohfink ist ein Vulkan ausgebrochen. Den funkensprühenden Medien entnahm ich, sie sei Schauspielerin. Als solche habe ich von ihr in den Medien aber noch gar nichts wahrnehmen können. Die sozialen Netzwerke berichten auch über sie, aber nicht als Schauspielerin. Sie überfluten in Lavaströmen ihre allein richtige Ansicht, die Schauspielerin sei Opfer einer Vergewaltigung, die nun von der Justiz fälschlich verdächtigt werde, sich einer falschen Verdächtigung schuldig gemacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt der jungen Schauspielerin wohl nicht ab, dass man ihr KO-Tropfen verabreichte und sie sodann von zwei Männern vergewaltigt wurde.

Die Sache mit diesen KO-Tropfen

Nun soll sich mal keiner lustig machen, wenn eine Frau die Anwendung von KO-Tropfen vermutet. Denn dafür gibt es keine Gründe:

Wenn auch selten, so werden in der Praxis tatsächlich KO-Tropfen gegen Frauen eingesetzt, um sie zum Sex zu bringen oder um sich an ihnen sexuell zu vergehen. Der Nachweis der Anwendung von KO-Tropfen gelingt aber selten, so dass von daher die tatsächlichen Opfer meistens das beweisrechtliche Nachsehen haben, wenn sie von geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen oder sogar völligem Erinnerungsverlust nach einem Glas Sekt berichten und die Vermutung äußern, sie seien nach der Verabreichung von KO-Tropfen vergewaltigt worden.

Die Sache mit der Schauspielerin und dem Schauspiel

Schade eigentlich, dass die Schauspielerin nicht wirklich bekannt wurde durch Schauspiel. Oder doch mit ihrer Aussage von den vermeintlichen KO-Tropfen und der vermeintlichen Vergewaltigung? Ob sie auch schauspielern kann wird sich weder an ihrer Verurteilung noch an einem theoretisch denkbaren Freispruch messen lassen. Das zu beurteilen verlangt ihren Sprung weg von der Anklagebank rauf auf die Bühne oder vor die Kamera.

Der Umgang mit dem Vulkan

Die sozialen Netzwerke rufen teilweise asozial: sie fordern selbstjustiziell drastische Strafen gegen die angeblichen Vergewaltiger und brüllen es twitternd mit Hass, Wut und in Unsachlichkeit ersaufend in die Welt hinaus. Und sie feiern die Schauspielerin, wenn auch nicht als solche, so jedenfalls als Opfer und Heldin. Irgendwie scheint der spätestens im  Kachelmann-Prozess entwickelte Alice-Schwarzer-Virus  übergesprungen zu sein. Ich halte mich fern vom Vulkan, seinen medialen Funken und netzwerkübergreifenden Lavaströmen. Gegen solche Viren bin ich immun. Fakt ist aber: manchmal kommen tatsächlich KO-Tropfen zum Einsatz.

Sexueller Missbrauch an widerstandunfähiger Person nach KO-Tropfen

Es gibt die Fälle wirklich, wie ich zu Beginn eines Prozesses vor einigen Monaten bereits hier berichtete. Das Landgericht Itzehoe verurteilte am 17.06.2016 einen Mann u.a. wegen sexuellem Missbrauch an 3 widerstandsunfähgigen Personen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe (§ 179 StGB). Er hatte den Frauen zuvor KO-Tropfen verabreicht, die zu einem komaähnlichem Schlaf führten. Dann verging er sich an den Opfern. In einem Fall konnte die Substanz im Körper der Frau nach Einlieferung in die Notaufnahme eines Hamburger Krankenhauses nachgewiesen werden. Ich war in dem Verfahren als Opferanwalt tätig. Nach Rechtskraft und Vorliegen des Urteils werde ich berichten. Es gibt den Fall Gina-Lisa. Und andere Fälle manchmal nachweisbar wirklich.


Prozessurteil beerdigt Anklage wegen Urkundenunterdrückung

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Rechtsanwalt Oliver Marson

Anklage wegen Urkundenunterdrückung mangelhaft

Die Staatsanwaltschaft Cottbus erhob gegen einen Mandanten Anklage mit dem Vorwurf, Urkunden unterdrückt zu haben (§ 274 StGB). Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, aus Briefkästen seiner Mieter diverse Schriftstücke entnommen zu haben, um Vollstreckungsmaßnahmen aus Zahlungstiteln seiner Ex-Frau zu vereiteln.

Das Amtsgericht Königs Wusterhausen eröffnete auf Grundlage der Anklage das Hauptverfahren, beraumte einen Hauptverhandlungstermin an und lud 12 Zeugen. Zu Zeugenvernehmungen sollte es letztlich nicht kommen.

Die Mängel der Anklage

Bei der Vorbereitung der Verteidigung wurde sichtbar, dass die Anklage hinsichtlich der Umgrenzungsfunktion nicht den Anforderungen des § 200 StPO entsprach. Der Anklagesatz sprach allgemein von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen und von vorläufigen Zahlungsverboten, die den Briefkästen entnommen worden sein sollen. Eine genaue Bezeichnung der Schriftstücke verschwieg der Anklagesatz. Solche Mängel stellen regelmäßig ein Prozesshindernis dar. Denn die fehlende Konkretisierung lässt offen, worüber das Gericht nach dem Willen der Anklagebehörde überhaupt urteilen und wogegen sich der Angeklagte verteidigen soll.

Antrag auf Nichtzulassung der Anklageverlesung

Folglich stellte ich unmittelbar nach Beginn der Hauptverhandlung den Antrag, die Verlesung der Anklageschrift nicht zuzulassen und das Verfahren mit Prozessurteil gem. § 260 Abs.3 StPO auf Kosten der Justizkasse einzustellen. Der Antrag ließ den Staatsanwalt panisch in der StPO blättern. Der Richter schaute betroffen. Nach einer Verfahrensunterbrechung von letztlich über einer Stunde erging wie beantragt das Prozessurteil mit der Verfahrenseinstellung. Die 12 Zeugen waren "umsonst" erschienen.

Mangelhafte Anklagen keine Seltenheit

Es kommt in der Praxis häufiger als gedacht vor, dass Staatsanwälte nicht die erforderliche Sorgfalt auf die prozessrechtlich einwandfreie Abfassung ihrer Anklageschriften verwenden. Das beweist ein weiteres Verfahren am AG Dannenberg, das vor einigen Monaten mit einem Prozessurteil und der Verfahrenseinstellung endete, "nur" weil die Anklage mangelhaft war. Erst vor wenigen Tagen mussten die Staatsanwaltschaft Berlin und das Amtsgericht Tiergarten ebenfalls diese Erfahrung machen. Der Anklagevorwurf, mein Mandant hätte gegen das Umweltstrafrecht verstoßen, führte ebenfalls auf meinen Antrag hin zur Verfahrenseinstellung mit Prozessurteil.

Kammergericht Berlin hob Urteil wegen Unwirksamkeit der Anklage auf

Erst im November 2019 hob das KG Berlin auf meine Revision ein Urteil u.a. deshalb auf, weil die Anklage der Umgrenzungsfunktion nicht genügte und deshalb nicht den Anforderingen des § 200 StPO entsprach. Anklage und Eröffnungsbeschluss waren deshalb unwirksam. Das Kammergericht setzte sich in seinem Beschluss mit den grundsätzlichen Voraussetzungen an eine ordnungsgemäß erhobene Anlklage auseinander. Dazu finden Sie hier einen Beitrag.