
KO-Tropfen als Erklärung für eine Vergewaltigung
Um den Fall der Gina-Lisa Lohfink ist ein Vulkan ausgebrochen. Den funkensprühenden Medien entnahm ich, sie sei Schauspielerin. Als solche habe ich von ihr in den Medien aber noch gar nichts wahrnehmen können. Die sozialen Netzwerke berichten auch über sie, aber nicht als Schauspielerin. Sie überfluten in Lavaströmen ihre allein richtige Ansicht, die Schauspielerin sei Opfer einer Vergewaltigung, die nun von der Justiz fälschlich verdächtigt werde, sich einer falschen Verdächtigung schuldig gemacht zu haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt der jungen Schauspielerin wohl nicht ab, dass man ihr KO-Tropfen verabreichte und sie sodann von zwei Männern vergewaltigt wurde.
Die Sache mit diesen KO-Tropfen
Nun soll sich mal keiner lustig machen, wenn eine Frau die Anwendung von KO-Tropfen vermutet. Denn dafür gibt es keine Gründe:
Wenn auch selten, so werden in der Praxis tatsächlich KO-Tropfen gegen Frauen eingesetzt, um sie zum Sex zu bringen oder um sich an ihnen sexuell zu vergehen. Der Nachweis der Anwendung von KO-Tropfen gelingt aber selten, so dass von daher die tatsächlichen Opfer meistens das beweisrechtliche Nachsehen haben, wenn sie von geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen oder sogar völligem Erinnerungsverlust nach einem Glas Sekt berichten und die Vermutung äußern, sie seien nach der Verabreichung von KO-Tropfen vergewaltigt worden.
Die Sache mit der Schauspielerin und dem Schauspiel
Schade eigentlich, dass die Schauspielerin nicht wirklich bekannt wurde durch Schauspiel. Oder doch mit ihrer Aussage von den vermeintlichen KO-Tropfen und der vermeintlichen Vergewaltigung? Ob sie auch schauspielern kann wird sich weder an ihrer Verurteilung noch an einem theoretisch denkbaren Freispruch messen lassen. Das zu beurteilen verlangt ihren Sprung weg von der Anklagebank rauf auf die Bühne oder vor die Kamera.
Der Umgang mit dem Vulkan
Die sozialen Netzwerke rufen teilweise asozial: sie fordern selbstjustiziell drastische Strafen gegen die angeblichen Vergewaltiger und brüllen es twitternd mit Hass, Wut und in Unsachlichkeit ersaufend in die Welt hinaus. Und sie feiern die Schauspielerin, wenn auch nicht als solche, so jedenfalls als Opfer und Heldin. Irgendwie scheint der spätestens im Kachelmann-Prozess entwickelte Alice-Schwarzer-Virus übergesprungen zu sein. Ich halte mich fern vom Vulkan, seinen medialen Funken und netzwerkübergreifenden Lavaströmen. Gegen solche Viren bin ich immun. Fakt ist aber: manchmal kommen tatsächlich KO-Tropfen zum Einsatz.
Sexueller Missbrauch an widerstandunfähiger Person nach KO-Tropfen
Es gibt die Fälle wirklich, wie ich zu Beginn eines Prozesses vor einigen Monaten bereits hier berichtete. Das Landgericht Itzehoe verurteilte am 17.06.2016 einen Mann u.a. wegen sexuellem Missbrauch an 3 widerstandsunfähgigen Personen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe (§ 179 StGB). Er hatte den Frauen zuvor KO-Tropfen verabreicht, die zu einem komaähnlichem Schlaf führten. Dann verging er sich an den Opfern. In einem Fall konnte die Substanz im Körper der Frau nach Einlieferung in die Notaufnahme eines Hamburger Krankenhauses nachgewiesen werden. Ich war in dem Verfahren als Opferanwalt tätig. Nach Rechtskraft und Vorliegen des Urteils werde ich berichten. Es gibt den Fall Gina-Lisa. Und andere Fälle manchmal nachweisbar wirklich.
4 Kommentare
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In verschiedenen Zeitungsartikel aufgetauchte Details zeigen, dass man unbedingt seeehr vorsichtig sein sollte.
So hätten die beiden Männer viel mehr Videos – und nicht nur Sex-Videos, sondern aus dem Alltag und die Dame hätte sich NACH der Strafanzeige mit einem der Männer getroffen.
Das zeigt, dass man die endgültige Beurteilung wirklich unbedingt einem Richter überlassen sollte.
Sehr geehrter Herr Kollege,
was die mehr oder weniger gelungene Karriere der Frau mit dem Vorwurf zu tun hat erschließt sich nicht. Die durchschimmernde Häme vermag ich nicht nachzuvollziehen. Aber vielleicht lese ich das auch einfach nur falsch.
Genau das frage ich mich auch: was der Job mit der Strafsache zu tun hat. Das müssen Sie die Medien fragen. Nicht mich.