Glaubhaftigkeitsprüfung durch Gutachter
Wenn ein Gutachter die Glaubhaftigkeitsprüfung von Zeugenaussagen vorzunehmen hat, liegt dem eine festgeschriebene Prüfungsmethodik zu Grunde. Im Kern beruht die Prüfung auf drei Säulen, nämlich der Aussagefähigkeit, der Aussagequalität und der Aussagezuverlässigkeit.
Die Aussagefähigkeit bei der Glaubhaftigkeitsprüfung
Die Aussagefähigkeit meint die intellektuellen Voraussetzungen eines Zeugen, ein Geschehen zu erfassen, es sich merken und sprachlich, schriftlich oder auch mit Gesten beschreiben zu können. Die methodische Grundlage der Untersuchung der Aussagefähigkeit ist die Kompetenzanalyse, d.h, im Einzelnen die Persönlichkeitsanalyse einschließlich der Diagnostik entwicklungspsychologischer und psychopathologischer Besonderheiten. Und zwar unter Berücksichtigung des Tatbestandssachverhalts und der vorangegeangen Berfagungssituationen.
Zwei Elemente bei der Prüfung der Aussagequalität
Wenn die Aussagefähigkeit gegeben ist, untersucht der Gutachter im zweiten Schritt der Glaubhaftigkeitsprüfung die Aussagequalität der Zeugenaussage. Die Aussagequalität bezieht sich darauf, ob die Aussageinhalte zu der Annahme berechtigt, dass die Aussage auf Erlebtem beruht (Erlebnisfundiertheit bzw. Realitätsgehalt). Die Grundlage ist, dass sich erlebnisfundierte Aussagen von solchen Aussagen unterscheiden, die nicht auf erlebten Vorgängen beruhen oder erfunden sind. Dieser Unterschied zeigt sich in konkreten Merkmalen der Aussagen.
Methodisch wird die Erlebnisfundiertheit mit der Realkennzeichenanalyse untersucht. Realkennzeichen sind Aussagebesonderheiten, deren gehäuftes Auftreten unter geeigneten Bedingungen für einen Erlebnisbezug der Aussage spricht. Daneben wird mittels der Konstanzanalyse die Qualität der Aussage in Bezug auf Art und Menge der Widersprüche und Aussageveränderungen überprüft.
Die Aussagequalität bei der Glaubhaftigkeitsprüfung
Hier wird geprüft, ob die Zeugenaussage als inhaltlich verfälscht oder verzerrt anzusehen ist. Das können Besonderheiten in der Motivation sein, aber auch Fremdeinflüsse sowie psychologische Besonderheiten.
Die Unwahrheitshypothese als Prüfungsgrundlage für Gutachten
Die Befunde zu den drei dargestellten Säulen der Glaubhaftigkeitsprüfung werden in einem hypotesengeleiteten dignostischen Prozess integriert. Dabei wird nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 30. Juli 1999 zu den wissenschaftlichen Anforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten von der Unwahrhypothese (sog. 0-Hypothese) ausgegangen. Es wird also zunächst davon ausgegangen, dass die Aussage unwahr, also nicht erlebnisfundiert, ist. Der Unwahrhypothese steht die Alternativhypothese (sog. Wahrheitshypothese) gegenüber, wonach also Aussagen erlebnisfundiert sind. Sie gilt dann, wenn die erhobenen Befunde nicht mehr mit der Unwahrhypothese vereinbar sind.
Weitere Informationen zur Glaubhaftigkeit
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