Verteidigung gegen rechtswidrige Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht

Im Jahre 2014 wurde ein Mann wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. In diesem Zusammenhang wurden ihm 2019 vom Landgericht Berlin Weisungen erteilt, an die er sich zu halten hat. Bei Verstoß gegen diese Weisungen würde er sich erneut strafbar machen.

Weisungen durch Beschluss des Landgerichts Berlin

So wurde er angewiesen, Hausbesuche des Bewährungshelfers, die im Rahmen seiner Betreuung erfolgen und deren Häufigkeit der Bewährungshelfer zu bestimmen hat, zu dulden und dem Bewährungshelfer anlässlich dieser Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Der Mandant wurde zudem angewiesen, Hausbesuche der Mitarbeiter der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz (FTA), die im Rahmen seiner Behandlung erfolgen und deren Häufigkeit die Mitarbeiter zu bestimmen haben, zu dulden und den Mitarbeitern der FTA Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Auch wurde er angewiesen, den Beamten des LKA Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren. Zudem wies das Landgericht ihn an, sich durch die FTA psycho- und sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen und die Behandlung nicht eigenmächtig zu beenden. Außerdem wurde er angewiesen, sich nicht in der Nähe von Orten und Einrichtungen aufzuhalten, an denen sich erfahrungsgemäß und typischerweise Kinder und Jugendliche aufhalten, wie zum Beispiel Schulen, Spielplätze, Schwimmbäder, Sporteinrichtungen, Volks-, Vereins- und Straßenfeste, sowie insbesondere nicht der Nähe dieser Orte und Einrichtungen zu verweilen. Letztlich wurde er angewiesen, keinen Kontakt – weder über Telefon, noch Fax, Post oder digitale Medien – zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, nicht mit ihnen zu verkehren, diese nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen. Die Weisung umfasste zudem das Verbot, Kinder in der Öffentlichkeit anzusprechen.

Führungsaufsicht – Kammergericht hebt rechtswidrige Weisungen auf

Gegen die vorgenannten Weisungen zog der Betroffene mit der Beschwerde vor das Kammergericht Berlin. Das Kammergericht hob die Weisungen auf und begründete dies wie folgt:

Die Weisung, Hausbesuche des Bewährungshelfers zu dulden, wann immer dieser es wollte, ist rechtswidrig. Das Kammergericht führte dazu aus, dass die Weisung nicht bestimmt genug formuliert war. Für den Verurteilten war nicht von vornherein erkennbar, welches Verhalten gegen die Weisung verstoßen würde. Da der Bewährungshelfer die Häufigkeit der Hausbesuche bestimmen durfte, hatte dieser es in der Hand, die Grenzen der Weisung zu bestimmen. Aus den gleichen Gründen war die Weisung, Hausbesuche der Mitarbeiter der FTA dulden zu müssen, rechtswidrig, da es auch hier den Mitarbeitern der FTA überlassen wurde, die Häufigkeit der Hausbesuche zu bestimmen. Die Weisung war zudem nicht erforderlich, da der Mandant entgegen der Ansicht des Landgerichts durchaus in der Lage war, die Ambulanz selbst aufzusuchen. Auch mit der Weisung, Beamten des LKA Zutritt zur Wohnung gewähren zu müssen, verstieß das Landgericht gegen das Gesetz. Allein der Hinweis darauf, dass die eigene Wohnung in der Vergangenheit zur Begehung von Straftaten genutzt wurde, rechtfertigt keinen so eklatanten Eingriff in die Privatsphäre. Da eine dermaßen weit gefasste Weisung auch den Zutritt der Beamten zur Nachtzeit erlaubt hätte, stand sie zudem in keinem angemessenen Verhältnis zu der Verurteilung. Auch die Weisung, sich psycho- und sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen, war rechtswidrig und konnte daher keinen Bestand haben. Da für den Verurteilten nicht erkennbar war, welche konkrete Therapie er zukünftig durchführen müsse und was damit erreicht werden solle, war die Weisung nicht bestimmt genug formuliert. Wird der Verurteilte diesbezüglich im Ungewissen gelassen und der Therapieeinrichtung damit ein sehr weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt, verstößt dies gegen Grundsätze eines Rechtsstaats. Die Weisung, sich nicht in der Nähe bestimmter Orte und Einrichtungen aufzuhalten bzw. dort zu verweilen, musste ebenfalls aufgehoben werden. Die Formulierung „in der Nähe“ lässt für den Verurteilten nicht ausreichend erkennen, wo er sich nicht aufhalten darf. Vielmehr ist eine genaue Angabe in Metern erforderlich. Auch wird übermäßig in das Recht des Verurteilten auf persönliche Freiheit eingegriffen, wenn ihm mit einer Weisung verboten wird, sich auf Volks-, Vereins- und Straßenfesten aufzuhalten. Auch das generelle Verbot, Schwimmbäder zu besuchen, ist ein übermäßiger Eingriff in dessen Rechte. Das Kammergericht führte aus, dass das Verbot auf Zeiten, zu denen der Kontakt mit Kinder und Jugendlichen sehr wahrscheinlich ist, begrenzt werden müsse.

Das Kammergericht fasste außerdem die Weisung, keinerlei Kontakt zu Kindern und Jugendlichen jeder Altersgruppe zu haben, neu. Es ist nicht gerechtfertigt, dem Verurteilten ein generelles Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen aufzuerlegen, wenn feststeht, dass dieser sich nur zu einer bestimmten Altersgruppe sexuell hingezogen fühlt. Daher hat das Kammergericht die Weisung darauf begrenzt, keinen Kontakt zu Jugendlichen unter 16 Jahren zu haben.

Die vollständige Begründung des Kammergerichtsbeschlusses vom 20, Dezember 2019 (5 Ws 201/19 – 161 AR 260/19) können Sie hier lesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gegen unseren Mandanten, der wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen verurteilt wurde, wurde Führungsaufsicht