Anklage wegen Urkundenunterdrückung mangelhaft
Die Staatsanwaltschaft Cottbus erhob gegen einen Mandanten Anklage mit dem Vorwurf, Urkunden unterdrückt zu haben (§ 274 StGB). Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, aus Briefkästen seiner Mieter diverse Schriftstücke entnommen zu haben, um Vollstreckungsmaßnahmen aus Zahlungstiteln seiner Ex-Frau zu vereiteln.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen eröffnete auf Grundlage der Anklage das Hauptverfahren, beraumte einen Hauptverhandlungstermin an und lud 12 Zeugen. Zu Zeugenvernehmungen sollte es letztlich nicht kommen.
Die Mängel der Anklage
Bei der Vorbereitung der Verteidigung wurde sichtbar, dass die Anklage hinsichtlich der Umgrenzungsfunktion nicht den Anforderungen des § 200 StPO entsprach. Der Anklagesatz sprach allgemein von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen und von vorläufigen Zahlungsverboten, die den Briefkästen entnommen worden sein sollen. Eine genaue Bezeichnung der Schriftstücke verschwieg der Anklagesatz. Solche Mängel stellen regelmäßig ein Prozesshindernis dar. Denn die fehlende Konkretisierung lässt offen, worüber das Gericht nach dem Willen der Anklagebehörde überhaupt urteilen und wogegen sich der Angeklagte verteidigen soll.
Antrag auf Nichtzulassung der Anklageverlesung
Folglich stellte ich unmittelbar nach Beginn der Hauptverhandlung den Antrag, die Verlesung der Anklageschrift nicht zuzulassen und das Verfahren mit Prozessurteil gem. § 260 Abs.3 StPO auf Kosten der Justizkasse einzustellen. Der Antrag ließ den Staatsanwalt panisch in der StPO blättern. Der Richter schaute betroffen. Nach einer Verfahrensunterbrechung von letztlich über einer Stunde erging wie beantragt das Prozessurteil mit der Verfahrenseinstellung. Die 12 Zeugen waren „umsonst“ erschienen.
Mangelhafte Anklagen keine Seltenheit
Es kommt in der Praxis häufiger als gedacht vor, dass Staatsanwälte nicht die erforderliche Sorgfalt auf die prozessrechtlich einwandfreie Abfassung ihrer Anklageschriften verwenden. Das beweist ein weiteres Verfahren am AG Dannenberg, das vor einigen Monaten mit einem Prozessurteil und der Verfahrenseinstellung endete, „nur“ weil die Anklage mangelhaft war. Erst vor wenigen Tagen mussten die Staatsanwaltschaft Berlin und das Amtsgericht Tiergarten ebenfalls diese Erfahrung machen. Der Anklagevorwurf, mein Mandant hätte gegen das Umweltstrafrecht verstoßen, führte ebenfalls auf meinen Antrag hin zur Verfahrenseinstellung mit Prozessurteil.
Kammergericht Berlin hob Urteil wegen Unwirksamkeit der Anklage auf
Erst im November 2019 hob das KG Berlin auf meine Revision ein Urteil u.a. deshalb auf, weil die Anklage der Umgrenzungsfunktion nicht genügte und deshalb nicht den Anforderingen des § 200 StPO entsprach. Anklage und Eröffnungsbeschluss waren deshalb unwirksam. Das Kammergericht setzte sich in seinem Beschluss mit den grundsätzlichen Voraussetzungen an eine ordnungsgemäß erhobene Anlklage auseinander. Dazu finden Sie hier einen Beitrag.