Die Rüge der örtlichen Zuständigkeit eines Amtsgerichts ist, kann ein Mittel sein, um die Staatsanwaltschaft zu einem Deal zu bewegen. Gerichtsstand, Rechtsmittel, Rechte des Angeklagten, Mord, Totschlag, sexueller Missbrauch, Rechtsanwalt, Strafverteidiger, Verweisungsantrag, Gerichtsverfahren, Brandenburg, Berlin
Rechtsanwalt Oliver Marson

Wozu den Gerichtsstand eines Amtsgerichts rügen?

Was hat der Gerichtsstand mit dem Deal zu tun? Ein Deal ist während eines Ermittlungsverfahrens möglich. Aber auch danach, also wenn die Staatsanwaltschaft bereits Anklage erhoben hat. Dann kann unter Einbeziehung des Gerichts unter Absprache mit den Strafverteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ebenfalls noch eine Verfahrenseinstellung erreicht werden. Oder es erfolgt alternativ eine Verfahrensabsprache auf ein bestimmtes Strafmaß, das das Gericht mit seinem Urteil nicht überschreitet. Das kann die Höhe der Geldstrafe, die Höhe der Freiheitsstrafe oder auch die Zusicherung betreffen, dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Über den Gerichtsstand Bereitschaft der Gerichte und Staatsanwaltschaften zum Deal herbeiführen

Es bedarf manchmal viel Verhandlungsgeschick der Rechtsanwälte, die Bereitschaft der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zu einer Verfahrensabsprache zu bewegen. Nicht immer gelingt das auf Anhieb oder wird sogar mehrfach abgelehnt.

Die “Rüge” zum Gerichtsstand eines Amtsgerichts als Mittel zum Zweck

In Fällen der Ablehnung kann es durchaus hilfreich sein, die prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen und eine Rüge der örtlichen Zuständigkeit eines Amtsgerichts (Gerichtsstand) anzubringen oder wenigstens anzudrohen. Die Folge der Unzuständigkeit eines Amtsgerichts ist, dass das Strafverfahren auf Antrag des Strafverteidigers an das tatsächlich zuständige Gericht verwiesen wird.

Die Rüge zum Gerichtsstand in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

Der Weg, um über eine angedrohte Rüge zum Deal zu kommen, wurde in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs gewählt. Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus wurde dem Mandanten tatmehrheitlich in 5 selbstständigen Handlungen sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB in verschiedenen Tatalternativen des Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 vorgeworfen. Ausweislich der Anklageschrift sollen die Straftaten über das Internet begangen worden sein. Dabei soll der Mandant die Straftaten in und aus seiner Berliner Wohnung begangen haben. Die Staatsanwaltschaft erhob die Anklage bei einem Amtsgericht in Land Brandenburg.

Die beiden hier relevanten Hauptgerichtsstände sind der des Tatorts (§ 7 Abs. 1 StPO) und der des Wohnsitzes (§ 8 Abs. 1 StPO). In beiden Fällen liegt der Gerichtsstand nicht bei einem Amtsgericht im Land Brandenburg, sondern ausschließlich beim Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Denn zum Einen soll sich der Tatort jeweils in Berlin befinden. Zum Anderen hatte der Mandant zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im August 2013 seinen festen Wohnsitz gemäß  § 8 Abs. 1 StPO in Berlin.

Rüge zum Gerichtsstand angedroht und Bereitschaft zum Deal erreicht

Zu Beginn der Hauptverhandlung suchte ich als Strafverteidiger um ein Dealgespräch nach. Die zuständige Staatsanwältin lehnte eine Verfahrenseinstellung gem. §153a StPO ab und bot eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung an. Es war wohl erheblicher Verfolgungswille der Staatsanwältin im Spiel, meinen Mandanten unbedingt „hinter Gittern sehen zu wollen“. Genau das aber machte ich mir für meinen Mandanten zu nutze, in dem ich ankündigte, den Gerichtsstand zu rügen und Verweisungsantrag an das Amtsgericht Berlin zu stellen. Den schriftlich vorbereiteten Antrag legte ich auf den  Tisch. Hätte ich ihn gestellt, wäre es zur Abgabe des Verfahrens gekommen. Das hätte der Staatsanwältin die Möglichkeit genommen, meinen Mandanten weiter zu verfolgen. Sie knickte ein und ließ sich auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Geldbuße ein. Für den Mandanten war das die Sicherung seiner Existenz, weil er sonst wegen des Eintrags im Strafregister keine Dienstreisen mehr in die USA hätte unternehmen können.

Rüge zum Gerichtsstand mangels sachlicher Zuständigkeit

Im vorliegenden Beispiel ging es um die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts. Aber auch die sachliche Zuständigkeit kann man erfolgreich rügen. Dazu erfahren Sie hier mehr.

Gerichtsstand und Beratung zum Prozessrecht durch Rechtsanwalt

Im Vorfeld eines solchen Verweisungsantrags müssen die Vor- und Nachteile, die er mit sich bringen kann, gegeneinander abgewogen werden. Nicht immer ist das der Weg aller Wege. Gerne berate ich Sie zu den vielfältigen prozessrechtlichen Möglichkeiten. Manchmal ist auch eine Verfahrensverschleppung sinnvoll, um zu einer verfahrensbeendenden Absprache zu kommen.

Weitere Informationen

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