Kein strafbarer Besitz kinderpornographischer Schriften
Der Besitz kinderpornographischer Schriften sei im Falle meines Mandanten strafbar. Das meinte jedenfalls das Landgericht Berlin und verurteilte ihn im Frühjahr 2015. In meiner Revision für den Angeklagten war ich anderer Meinung. Der schloss sich schließlich auch der Bundesgerichtshof an. Denn nicht immer muss der Besitz kinderpornographischer strafbar sein.
Die Urteilsfeststellungen des Landgerichts
Das Gericht stellte fest, dass mein Mandant durch ein anderes Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt worden war. Die Strafe hatte der Verurteilte auch vollständig absitzen müssen. Noch während seiner Untersuchungshaft übersandte ihm der damalige Strafverteidiger im Jahre 2004 die Prozessakten. Darunter befand sich ein Leitzordner mit der Aufschrift „Verfahrensakten“. Darin befanden sich Hunderte kinderpornographische Fotos. Diese verwahrte die Justizvollzugsanstalt in der „Habe“ des Verurteilten.
Justizvollzugsbeamte verbreiten kinderpornographische Schriften
Bei seiner Entlassung 2010 händigten ihm Justizvollzugsbeamten die „Habe“ aus. Ich berichtete bereits darüber wie Justizvollzugsbeamte auf diese Weise an der Verbreitung kinderpornographischer Schriften beteiligt waren. Sie bestand aus sechs Umzugskartons. Darin befand sich auch der Ordner mit den kinderpornographischen Fotos. Zu Hause angekommen verstaute der nun wieder auf freiem Fuß befindliche Mann seine „Habe“ in der Wohnung. Dort, wo eben Platz war in dem kleinen privaten Domizil kam das Zeug hin. Auch der inkriminierte Leitzordner fand irgendwo seinen Platz. Die alten Verfahrensakten habe der Mandant, wie er später vor dem Landgericht Berlin aussagte, nie wieder angesehen, „wozu auch“.
Der große Fund der Polizei
Als weitere 4 Jahre später eine Hausdurchsuchung wegen eines anderen Tatverdachts stattfindet, findet man dazu nichts. Was die Polizei aber findet ist der Leitzordner mit den Kinderpornos. Für die Polizei und später auch mit ihr war das Gericht in unkritischer Selbstwürdigung der Auffassung: das ist Besitz kinderpornographischer Schriften!
Mangels Vorsatzes kein strafbarer Besitz kinderpornographischer Schriften
Der BGH folgte der Auffassung der Revision in seinem Beschluss vom 19. August 2015, der hier auszugsweise nachzulesen ist. Es ermangelt unter diesen Umständen schlicht und ergreifend am Vorsatz. Denn es liegt auf der Hand, dass man wissen muss, etwas strafbares zu besitzen. Warun das Landgericht das nicht sah bleibt ein Rätsel. Der fehlende Vorsatz war auch Gegenstand meines Plädoyers.
Soweit das Urteil auch wegen des Schuldspruchs zum sexuellen Missbrauch augehgehoben wurde, ist in diesem Beitrag nachzulesen. Ein weiterer Beitrag, warum auch die Urteilsaufhebung wegen Verstoß gegen die Führungsaufsicht erfolgte, findet sich hier.
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