Erhöhung der Strafe
Rechtsanwalt Oliver Marson

Wer keine Ahnung hat, der sollte schweigen und nicht unqualifizierte Interviews geben.

Erhöhung der Strafe für gut befunden: In der Sonnabendausgabe der „WELT“ vom 08.05.2021 wurde ein Interview mit Frau Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerks, zum neuen Gesetz zur Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs und eine Reform der Kinder- und Jugendhilfe veröffentlicht, dass einmalmehr zeigt, wie inkompetent manche Politiker sind. Frau Anne Lütkes ist nicht nur Mitglied der Grünen, sondern war auch von 2000 bis 2005 Justizministerin in Schleswig-Holstein und müsste es daher besser wissen.

Aber wenn man sich in die Öffentlichkeit drängt und dem Volke zu Munde reden will, dann ist Fachkompetenz nicht das Wichtigste.

Erhöhung der Strafe im Sexualstrafrecht

Anlass für das Interview war, dass der Bundesrat in seiner Sitzung am 07.05.2021 den Gesetzesbeschluss des Bundestags zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder gebilligt hat.

Das Gesetz sieht ein Bündel von Maßnahmen vor – insbesondere Verschärfungen des Strafrechts.

Der Grundstraftatbestand des Kindesmissbrauchs wird künftig als Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Bislang sind solche Taten als Vergehen mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren sanktioniert. Verbreitung, Besitz und Besitzverschaffung von Kinderpornografie sollen ebenfalls zum Verbrechen hochgestuft werden. Dementsprechend werden auch dort höhere Strafen drohen.

Frau Lütkes wird u.a. mit folgender Aussage zitiert:

„Künftig ist auch Erwerb und Besitz von Kinderpornos eine Straftat“.

Hätte man sich mal eingehend mit der Gesetzesänderung beschäftigt oder die bisherige Gesetzeslage analysiert, dann hätte man wissen müssen, dass der Besitz und der Erwerb von Kinderpornografie im § 184b StGB seit vielen Jahren bereits unter Strafe steht. Was das neue Gesetz jetzt ändert, ist lediglich der Strafrahmen. Dieser wird deutlich höher gesetzt, mit der Folge, dass diese Taten zukünftig als Verbrechen zu verfolgen sind und so mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht sind. Bisher galt eine Mindeststrafe von lediglich drei Monaten.

Diese Gesetzesverschärfung erfolgte vor allem auf Druck der Öffentlichkeit und vor dem Hintergrund einer Reihe spektakulärer Strafprozesse in letzter Zeit in diesem Bereich. Fachleute kritisieren diese Gesetzesverschärfung – nach meiner Meinung zu Recht – als unverhältnismäßig und als populistisch.

Strafverschärfung ist der falsche Weg

So äußerte sich auch der Deutsche Juristenbund zu den Strafverschärfungen kritisch: Sexuelle Handlungen an Kindern umfassen ein großes Spektrum von Berührungen oberhalb der Kleidung bis hin zu Manipulationen am nackten Genital. Der Strafrahmen von derzeit sechs Monaten bis zu zehn Jahren ermöglicht eine schuldangemessene Sanktionierung und bietet Raum für die Verhängung erheblicher Freiheitsstrafen. Besonders schwere Fälle sind bereits jetzt mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht.