Rechtswidrige Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Berlin

Rechtswidrige Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Berlin, Strafverteidiger, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Oliver Marson

Rechtswidrige Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Berlin

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst geraume Zeit gegen Unbekannt wegen bandenmäßigen Diebstahls von Edelmetallen in einem Unternehmen.  Während der schleppend geführten Ermittlungen im Jahre 2012 wurden von Zeugen Gerüchte an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet, wer als Täter in Betracht kommen könnte.  Diese Gerüchte nahm die Ermittlungsbehörde zum Anlass, gegen fünf namentlich bekannt gewordene Mitarbeiter des Unternehmens weiter zu ermitteln.  Und dann folgte das: Eine rechtswidrige Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Berlin.

§ 102 StPO regelt, unter welchen Voraussetzungen eine "Hausdurchsuchung beim Verdächtigen" zulässig ist. So setzt die Hausdurchsuchung zunächst einmal Tatverdächtige voraus. Aber genau an denen fehlte es, denn Gerüchte begründen regelmäßig keinen Tatverdacht. Ungeachtet dessen beantragte die Staatsanwaltschaft Ende 2012  Durchsuchungsbeschlüsse,  die das Amtsgericht Tiergarten auch promt erlassen hat.

Nach Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse machte der verantwortliche Staatsanwalt - Monate später(!) - sinngemäß aktenkundig, dass die Beweislage nach wie vor gegen keinen der Beschuldigten einen Tatverdacht zulasse.

Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden  aber trotzdem vollstreckt. Alle Beschuldigten erlebten die Durchsuchung ihrer Anwesen.

Für meinen Mandanten habe ich inzwischen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO beantragt. Und nebenbei  wurde eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den verantwortlichen Staatsanwalt und Richter eingereicht. Nun genießen Beschwerden dieser Art  unter Rechtsanwälten aus tatsächlichen Gründen keinen hohen Stellenwert.  Dennoch ist es ein Achtungszeichen für Behörden und Gerichte, in Zukunft sorgsamer mit den Freiheitsrechten der Bürger umzugehen. Eine rechtswidrige Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Berlin, München, Hamburg oder durch welche auch immer muss sich niemand bieten lassen.


Angeklagter Neonazi ließ sich in den Gerichtssaal tragen - Mordanklage

Neonazi, Strafverteidiger, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Oliver Marson

Angeklagter Neonazi ließ sich in den Gerichtssaal tragen - Vergleich zu NSU - Verfahren

Ein Angeklagter Neonazi ließ sich in den Gerichtssaal tragen:

Im Jahre 1999 verhandelte das Landgericht Lübeck in "zweiter I. Instanz"  gegen den zu mindest damals der rechtsradikalen Szene zugehörigen K. D. Er war wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt.

Ich vertrat den Nebenkläger Klaus Baltruschat aus Berlin, auf den K. D. am 19.02.1997 in Tötungsabsicht auf Grund seiner menschenverachtenden, rechtsradikalen Gesinnung aus nächster Nähe mit einer Langwaffe  (Kaliber 12/76) drei Schüsse abfeuerte. Mein Mandant überlebte nur wegen der schnellen ärztlichen Hilfe. Der linke Unterarm und ein Finger der rechten Hand mussten amputiert  werden.

Wenige Tage später erschoss K. D.   auf seiner Flucht in Norddeutschland einen Polizeibeamten, einen weiteren verletzte er.

Das Landgericht Lübeck verurteilte K. D. mit Urteil vom 08.Dezember 1998 unter Einbeziehung des Urteils vom 01. Dezember 1997 wegen Mordes in einem Fall und versuchten Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe.  Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Der Neonazi in der Hauptverhandlung

Gemeinsam mit meinem Mandanten erlebte ich den Auftritt eines Angeklagten in der Hauptverhandlung, wie er sich so wohl selten sonst ereignet hat:

Am ersten Hauptverhandlungstag verweigerte K. D.  den Sitzungssaal zu betreten. Sein Verteidiger und auch der Vorsitzende versuchten erfolglos ihn umzustimmen. Darauf hin wurde er von fünf Wachtmeistern unter Gegenwehr in den Sitzungssaal getragen. Ab dem Zeitpunkt störte er mit beleidigenden Zwischenrufen die Hauptverhandlung. Den Vorsitzenden Herrn Kaiser beschimpfte er wiederholt mit "Scheiß Kaiser". Rufe wie "BRD verrecke, Deutschland erwache, Juda verrecke" schallten durch den bis auf den letzten Platz gefüllten Sitzungssaal. Letztlich wurde er von der Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Er blieb bei den weiteren Verhandlungstagen im Vorführraum des Landgerichts. Auch von seinem Recht zum "letzten Wort" Gebrauch zu machen lehnte er ab. Er übermittelte dem Gericht über seinen Verteidiger, im Falle der zwangsweisen Vorführung die Verhandlung zu stören.

Lübeck- und NSU-Verfahren - ein Vergleich des Prozessauftaktes

Vergleiche ich die beiden Prozessauftakte miteinander, so fällt auf, dass das Verhalten der Angeklagten in München mit dem des K. D.  in Lübeck nicht zu vergleichen ist. Die in München Angeklagten treten jedenfalls im Vergleich deutlich zurückhaltender auf. Schon deshalb verstehe ich auch so manche Mediennberichterstattung nicht, die aus der Bekleidung der Hauptangeklagten, aus ihrem Styling insgesamt,  aus Gestik und Mimik Arroganz und Verachtung abgelesen haben will.

Meine Frage im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess

Ich denke nicht, dass solche Dinge überhaupt von Interesse sind. Auch der Prozessauftakt selbst ist unspektakulär. Da   gebe ich dem Kollegen Burhoff Recht. Es werden Anträge gestellt von der Verteidigung, vielleicht viele, vielleicht gute oder weniger gute, es gibt Wortgefechte mit dem Gericht. Ist das wirklich berichtenswert? Ich denke schon deshalb nicht, weil am OLG München gerade das stattfindet, was zu Beginn eines jeden Mammutverfahrens stattfindet.

Ich halte eine andere Frage für bedeutungsvoll: Wie geht man zukünftig mit der Problematik schwerster Verbrechen aus rechtsradikaler Gesinnung um, sollten sich die Anklagevorwürfe bestätigen und wie sind sie zu vermeiden.

Die Justiz kann Straftaten aburteilen. Sie kann aber nicht die hier sich als gesamtgesellschaftliche Problematik stellende Frage einer Lösung zuführen.

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Urteil wegen Vollrauschs und Therapieauflagen statt Freispruch bei Schuldunfähigkeit

Verurteilung wegen Vollrauschs statt wegen versuchten Totschlags
Rechtsanwalt Oliver Marson

Urteil wegen Vollrauschs und Therapieauflagen statt Freispruch bei Schuldunfähigkeit

Mit einem Urteil wegen Vollrauschs und Therapieauflagen statt Freispruch bei Schuldunfähigkeit  endete ein Strafverfahren am Landgericht Berlin. Bekanntlich führt Schuldunfähigkeit dazu, dass der Betroffene wegen einer in diesem Zustand begangenen Straftat nicht verurteilt werden kann. Das kann bei bestimmten Konstellationen zu Freispruch führen, muss aber nicht immer so sein.

Wie bereits berichtet, war mein Mandant wegen versuchten Totschlags angeklagt. Der Zustand, in dem er sich zum Tatzeitpunkt mit über 3 Promille befand, führte zur Annahme der absoluten Schuldunfähigkeit. Deshalb konnte er nicht wgen der in diesem Zustand begangenen Straftat (schwere Körperverletzung) verurteilt werden.

Aber er wurde nicht freigesprochen. Hintergrund ist, dass man in solchen Fällen wegen Vollrauschs verurteilen kann. Auch ist in solchen Fällen eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt möglich, die neben der Strafe erfolgt.

 

Im vorliegenden Fall endete die Sache noch glimpflich für den Mandanten, dem mit Gerichtsbeschluss zwar auferlegt wurde, sich einer Alkoholtherapie zu unterziehen. Aber er ist deshalb nicht in eine Anstalt eingewiesen worden, sondern kann die Therapie in Freiheit absolvieren.


Rechtsanwalt erwirkt Verurteilung wegen Vollrauschs statt wegen versuchten Totschlags - Landgericht Berlin

Verurteilung wegen Vollrauschs statt wegen versuchten Totschlags
Rechtsanwalt Oliver Marson

Verurteilung wegen Vollrauschs statt wegen versuchten Totschlags - Landgericht Berlin

Die Verteidigung konnte für den Mandanten eine Verurteilung wegen Vollrauschs statt wegen versuchten Totschlags erreichen.

Der Mandant lief  unter starker Alkoholeinwirkung von ca. 3,1 Promille nachts durch einen Park und traf dort auf  drei ebenfalls stark alkoholisierte Personen. Der Mandant beschimpfte sie und nachdem einer von ihnen sich dann zu dem Mandanten begab, kam es zu einer kurzen Rangelei. Der Mandant zückte ein Taschenmesser mit einer kurzen Klinge von etwa 8 cm und stach in den Bauch des ihm unbekannten Mannes. Dessen Leben konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautete auf versuchten Totschlag und scheiterte. Wie die Verteidigung konnte auch das Landgericht Berlin den erforderlichen Vorsatz, also die Tötungsabsicht, nicht erkennen. Vielmehr ging das Gericht von einer schweren Körperverletzung aus. Aber auch deshalb war keine Verurteilung möglich, wie hier nachzulesen ist.

Das Landgericht Berlin verurteilte den Mandanten mit Urteil vom 25.02 3013 wegen Vollrausch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.


Anwalt erreicht milde Strafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs am Landgericht Oldenburg

Anwalt erreicht milde Strafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs Oldenburg Berlin
Rechtsanwalt Oliver Marson

Anwalt erreicht milde Strafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs

Die Strafe für den Mandanten in dem Prozess vor dem Landgericht Oldenburg (siehe auch Presseerklärung vom 04.04.2013) fiel gering aus. Eine Rolle spielte dabei auch die pädophile Neigung des Betroffenen, die zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führte.

Doppelte Strafrahmenverschiebung zu Gunsten des Mandanten

Das Landgericht Oldenburg verurteilte den Mandanten wegen schweren sexuellen Missbrauchs in 4 Fällen und 14 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten. Es hielt sich dabei an den Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Antrag der Verteidigung (2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung) wurde zwar nicht erreicht. Aber das war auch nicht zu erwarten. Immerhin liegt der Strafrahmen im Normalfall zwischen mindestens zwei Jahren bis max. 15 Jahren Freiheitsstrafe. Die Verteidigung konnte jedoch den Sachverständigen kippen, so dass sich der Strafrahmen zunächst auf 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe verminderte. Eine weitere Strafrahmenverschiebung ergab sich aus dem Täter-Opfer-Ausgleich, so dass der Strafrahmen nur noch bei 6 Monaten bis 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe lag. Daran gemessen lag das Urteil im unteren Bereich.


Pädophilie als Grund für verminderte Schuldfähigkeit bei schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern

Schuldfähigkeit bei schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern - Rechtsanwalt für Sexualstrafrecht
Rechtsanwalt Oliver Marson

Pädophilie als Grund für verminderte Schuldfähigkeit bei schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern

Manchmal kommt auch Pädophilie als Grund für verminderte Schuldfähigkeit bei schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in Betracht.

Die Freiheitsstrafe wegen schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in dem Prozess vor dem Landgericht Oldenburg (siehe auch Presseerklärung vom 04.04.2013) fiel gering aus. Eine Rolle spielte dabei auch die pädophile Neigung des Betroffenen, die zur Annahme verminderter Schuldfähigkeit führte.

Freiheitssrafe gering durch doppelte Strafrahmenverschiebung zu Gunsten des Mandanten

Das Landgericht Oldenburg verurteilte den Mandanten zu einer Freiheitsstrafe wegen schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in 4 Fällen und 14 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Mit 2 Jahren und 10 Monaten fiel das das Strafmaß verhältnismäßig gering aus. Das Gericht hielt sich dabei an den Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Antrag der Verteidigung (2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung) wurde zwar nicht erreicht. Aber das war auch nicht zu erwarten. Immerhin liegt der Strafrahmen im Normalfall zwischen mindestens zwei Jahren bis max. 15 Jahren Freiheitsstrafe. Die Verteidigung konnte jedoch den Sachverständigen kippen, so dass sich der Strafrahmen wegen verminderter Schuldfähigkeit zunächst auf 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe verminderte. Eine weitere Strafrahmenverschiebung ergab sich aus dem Täter-Opfer-Ausgleich, so dass der Strafrahmen nur noch bei 6 Monaten bis 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe lag. Daran gemessen lag das Urteil im unteren Bereich.

Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit bei schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern bei Pädophilie

Pädophilie kann, muss aber nicht in jedem Fall zu einer verminderten Schuldfähigkeit bei Begehung eines schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern führen. Liegt Pädophilie vor, sollte der Rechtsanwalt nichts unversucht lassen, ein Sachvertändigengutachten zu der Frage einzuholen, ob dadurch eine verminderte Schuldfähigkeit bei Begehung der Straftaten vorgelegen hat. Denn in solchen Fällen liegt das Strafmaß, also die verhängte Strafe, in den meisten Fällen deutlich niedriger?

Solche Fälle sind durchaus keine "Einzelfälle" wie auch der in der "Berliner Zeitung" veröffentlichte Bericht über ein Strafverfahren am Landgericht Berlin zeigt. Auch hier war es mir gelungen, für meinen Mandanten eine geringe Strafe zu erwirken.

 

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2. Presseerklärung zum Strafverfahren am Landgericht Oldenburg - Anwalt rügt mangelnde Sachkunde des Sachverständigen und stellt Antrag auf neue Begutachtung zur Schuldfähigkeit

Rechtsanwalt Oliver Marson

Anwalt rügt mangelnde Sachkunde des Sachverständigen

Das Landgericht Oldenburg hatte lange vor Prozessbeginn einen psychiatrischen Sachverständigen beauftragt, den Mandanten auf seine Schuldfähigkeit zu untersuchen. Das war auch notwendig, weil die Ursache der Kindesmissbrauchshandlungen in einer pädophilen Neigung zu sehen ist. Und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese naturgegebene und nicht heilbare Neigung zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen kann.

Psychiatrischer Sachverständiger verneint zunächst verminderte Schuldfähigkeit

In dem vor Prozessbeginn erstellten schriftlichen Gutachten verneinte der Sachverständige eine verminderte Schuldfähigkeit. Er wohnte dann der Hauptverhandlung bei. Damit soll ein Sachverständiger Gelegenheit bekommen, die erst im Prozessverlauf bekannt werdenden Umstände bei dem letzlich am Schluss der Verhandlung mündlich zu erstattenden Gutachten berücksichtigen zu können.

Am zweiten Verhandlungstag erstattete er das mündliche Gutachten. Auch hier kam er zu dem Ergebnis, die Schuldfähigkeit des Mandanten sei bei Ausführungen der Kindesmissbrauchshandlungen nicht beeinträchtigt gewesen. Auf dieser Auffassung beharrte der Sachverständige jedenfalls vor dem dann folgenden Beweisantrag der Verteidigung.

Beweisantrag des Anwalts auf neue Begutachtung wegen fehlender Sachkunde des bisherigen Sachverständigen

Die Verteidigung sah sich nach Gutachtenerstattung veranlasst, mit einem Beweisantrag ein weiteres Gutachten für den Fall einzufordern, dass das Gericht beabsichtigt, sich dem Ergebnis des Sachverständigen anzuschließen.

Der Beweisantrag greift als solcher nicht unmittelbar das Ergebnis des Sachverständigen an. In der 10-seitigen Begründungsschrift wird vielmehr der Weg zum Ergebnis gerügt. Nach Auffassung der Verteidigung ist die dem Gutachten zu Grunde liegende Sexualanamnese lückenhaft, der Aufbau des Gutachtens unmethodisch und es entspricht insgesamt nicht den wissenschaftlichen Anforderungen. Folgerichtig leitet die Verteidigung daraus die mangelnde Sachkunde des Sachverständigen ab. Darauf wiederum gründen letztlich auch die Zweifel, dass das Ergebnis des Sachvertändigen hinsichtlich der angeblich voll erhaltenen Schuldfähigkeit zutreffend ist. Näheres zu den Rügen am Gutachten ist insbesondere dem hier abrufbaren Interview zu entnehmen.

Die Wende des Sachverständigen

Das Gericht reagierte prompt und beorderte den Sachverständigen wieder zurück in den Gerichtssaal. Es unterzog ihn einer konkreten Nachbefragung zu den im Beweisantrag behaupteten Schwachpunkten des Gutachtens. Die Frage des Gerichts, ob er auch die Ausführungen des Mandanten im Geständnis zu seiner Sexualentwicklung berücksichtigt habe, beantwortete er mit einem klaren“ja”. Mit dieser allgemeinen Antwort gab sich das Gericht aber nicht zu Frieden. Punkt für Punkt der relevanten Einlassungen des Mandanten hinterfragte das Gericht bei dem nun schon verunsichert erscheinenden Sachverständigen.

Im Ergebnis der konkreten Befragung wendete sich die Auffassung des Sachverständigen. Er räumte ein, dass unter Berücksichtigung der Einlassungen im Geständnis eine verminderte Schuldfähigkeit des Mandanten nicht auszuschließen sei.

Folglich hatte der Sachverständige das Geständnis, das mündlich in seiner Anwesenheit am ersten Prozesstag verlesen wurde und ihm in Schriftform zur Verfügung gestellt worden war, bei der ersten Gutachtenerstattung unbeachtet gelassen. Wäre es anders, hätte er zwingend schon vor dem Beweisantrag und der deshalb stattgefundenen Nachbefragung zu diesem Ergebnis kommen müssen.

Letztlich ist es Sache des Gerichts, ob es sich den Ausführungen des Gutachters anschließt oder nicht. Auch die Frage, ob ein weiteres Gutachten erforderlich ist, liegt im Ermessen des Gerichts. Das alles bleibt abzuwarten.


1. Presseerklärung vom 02.04.2013: Anwalt zum Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern am LG Oldenburg

1. Presseerklärung vom 02.04.2013: Anwalt zum Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern am LG Oldenburg

Wie den Medien bekannt ist, werden meinem Mandanten sexuelle Handlungen an Personen unter 14 Jahren vorgeworfen. Ich gebe  als Anwalt zum Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern  am Landgericht Oldenburg die nachfolgende Erklärung ab:

Die Missbrauchshandlungen sollen sich im Zeitraum von 2011 bis März 2012 ereignet haben. Mein Mandant ist geständig. Zum Prozessauftakt legt er heute ein von der Strafverteidigung verlesenes, umfassendes Geständnis ab. Er geht darin auch auf die Ursachen und Hintergründe des Kindesmissbrauchs ein, bei dem seine pädophile Neigung eine zentrale Rolle spielt.

Im Mittelpunkt der Strafverteidigung steht damit nicht die Frage nach der Schuld, sondern vielmehr nach einer gerechten und angemessenen Bestrafung.

Gerade Fälle wie diese belegen exemplarisch, dass die Justiz aus objektiven Gründen nur sehr bedingt in der Lage ist, mit (abschreckenden) Urteilen präventiv zukünftigem Kindesmissbrauch entgegen wirken zu können. Fälle wie diese belegen aber auch, dass bei bestimmten Konstellationen ohne Mitwirkung der Strafjustiz Ressourcen bestehen, um einen effektiveren Schutz für Kinder zu erreichen. Das ist dann möglich, wenn Menschen mit pädophiler Neigung vor Begehung der Straftaten verstärkt und flächendeckend die medizinisch mögliche Hilfe erfahren können.

Voraussetzung dafür ist ein Umdenken und Handeln in der Gesellschaft, das ein Umdenken und vorbeugendes Handeln potentieller Straftäter besser als bisher unterstützt und ermöglicht.

Das Phänomen der Pädophilie als Ursache des sexuellen Missbrauchs von Kindern

Mein Mandant leidet an Pädophilie. Sie ist naturgegeben und nicht heilbar. Sie ist in verschiedenen Ausprägungen möglich. Die einseitige Pädophilie bedeutet, dass das Sexualinteresse der Betroffenen ausschließlich Kindern gilt. In anderen Fällen existieren “Mischformen” der Sexualausprägung, die gleichzeitig heterosexuelle oder homosexuelle Kontakte ermöglichen. Die Erörterung dieser Fragestellungen wird auch Gegenstand des anstehenden Strafprozesses sein. Nicht zuletzt werden auch Fragen erörtert, die sich aus dem seelischen Leid der von Pädophilie Betroffenen ergeben können. Und es wird behandelt, welche Auswirkungen das auf die Begehung solcher Straftaten haben kann.

Dass sich ein für Aussenstehende schwer nachvollziehbarer, unermesslicher Leidensdruck aufbauen kann, hat ein am Landgericht Berlin verhandelter Fall 2012 unter Beweis gestellt. Der Mandant, der sich seiner pädophilen Neigungen schämte und seine Handlungen bereute, unternahm in der JVA Berlin Moabit mehrere Selbstmordversuche. Er trennte sich dabei einen Hoden zur Selbstbestrafung ab.

Man stelle sich vor, eine Frau (ein Mann) begehrt einen Mann (eine Frau) und ihr (ihm) wäre es untersagt, das naturgegebene Verlangen auszuleben. Welcher Leidensdruck sich daraus ergibt, ist für jeden nachvollziehbar. Nichts anderes gilt für einen Mann mit pädophiler Neigung.

Pädophilie kann vor Strafe nicht schützen

Bei solchen Konstellationen gibt es oft zwei Opfer: das zum Opfer gewordene Kind und der zum Opfer gewordene Täter.

Das ändert nichts daran, dass sexuelle Missbrauchshandlungen im Interesse des Kindesschutzes bestraft werden müssen.

Gerade im Hinblick auf die Ursachen und Hintergründe der Straftaten meines zum Opfer seiner Neigung gewordenen Mandanten einerseits und des berechtigten Schutzes der durch ihn zu Opfern gewordenen Kinder andererseits stehen alle Prozessbeteiligten vor einer schwierigen Aufgabe bei der Findung einer schuldangemessenen Strafe.

Ulrich Dost
Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt erwirkt Haftverschonung bei Verdacht des Totschlags

Haftverschonung bei Verdacht des Totschlags
Rechtsanwalt Oliver Marson

Haftverschonung bei Verdacht des Totschlags

Der Mandantin wird ein Neonatizid vorgeworfen, Kindstötung unmittelbar nach der Geburt. In Deutschland fällt das unter Totschlag oder Mord. Österreich ist diesbezüglich fortschrittlicher.

Die Mandantin mit russischer und deutscher Staatsbürgerschaft lebt mit ihrer Familie seit Jahrzehnten in Deutschland, steht kurz vor dem Studienabschluss, ist hier sozial eingebunden. Die Eltern sind das, was man in Deutschland schätzt: fleißig, arbeitsam und diszipliniert. So verdienen sie den täglichen Unterhalt.

Nach der Rechtsprechung sind das also eigentlich beste Voraussetzungen, um die Annahme der Fluchtgefahr verdrängen oder mindern zu können und um zumindestens die Haftverschonung zu erreichen.

Die diesbezüglichen Verteidigergespräche mit der Staatsanwaltschaft liefen gegen die Wand. Der Verteidiger musste sich von der zuständigen Staatsanwältin kurz angebunden sagen lassen, der Erlass des Haftbefehls sei doch wohl “keine Spaßnummer”.

Staatsanwältin: wer nicht verhütet, bleibt in Untersuchuchungshaft!

Noch “spaßiger” wurde es im Haftprüfungstermin vor dem Landgericht Berlin, der auf Antrag der Strafverteidigung stattfand. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft blieb bei der Auffassung, dass an den Haftverhältnissen nichts zu verändern sei. “Argumentativ” untersetzte sie das damit, dass die Mandantin ja wohl hätte verhüten können, wenn sie kein Kind hätte haben wollen.

Das “Verhütungsargument” fand klare Ablehnung bei den Richtern, deutlich in Worten zum Ausdruck gebracht.

Keine zwingende Vermutung der Fluchtgefahr wegen russischer Staatsbürgerschaft

Auch sei – nach Auffassung der Staatsanwaltschaft – bei einer Flucht nach Russland die Strafverfolgung in Deutschland mangels Auslieferung durch Russland nicht gewährleistet. Das “Auslieferungsargument” überzeugte die Richter ebenfalls nicht: Russland ist Anfang der neunziger Jahre dem Europäischen Auslieferungsabkommen beigetreten und kommt auch Auslieferungsersuchen Deutschlands nach.

Ausservollzugsetzung des Haftbefehls durch das Landgericht Berlin

Die Haftverschonung bei Verdacht des Totschlags konnte erreicht werden. Die Mandantin ist wieder auf freiem Fuß.  Das Landgericht Berlin folgte der geltenden Rechtsprechung zur Fluchtgefahr und setzte den Haftbefehl unter Erteilung von Auflagen mit Beschluss vom 15. März 2013 außer Vollzug.