Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung Fachanwalt für Strafrecht,
Rechtsanwalt Oliver Marson

Strafanzeige gegen Chemnitzer Staatsanwalt und Richter

Der ehemals Beschuldigte Yousif A. hat am Mittwoch, dem 06. März 2019, beim Generalstaatsanwalt Dresden Strafanzeige gegen zwei Justizbeamte wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung erstatten lassen. Sie richtet sich gegen einen Staatsanwalt des Landgerichts Chemnitz und einen Richter des Amtsgerichts Chemnitz.

Haftbefehle nach „Messerattacke“ gegen Daniel H.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte gegen Yousif A. und den Mitbeschuldigten Alaa S. am 27. August 2018 im Zusammenhang mit der Chemnitzer „Messerattacke“ gegen Daniel H. den Erlass von Haftbefehlen wegen des Verdachts des Totschlags beantragt. Am gleichen Tag erließ der zuständige Haftrichter beim AG Chemnitz antragsgemäß die Haftbefehle und ordnete die Vollstreckung an. Yousif A. wurde nach 23 Tagen Untersuchungshaft am 18. September 2018 auf Druck der Verteidigung aus der Haft entlassen. Im Januar 2019 wurde nach einer Schutzschrift der Verteidigung das Ermittlungsverfahren gegen Yousif A. durch die Staatsanwaltschaft eingestellt, weil kein Tatverdacht vorlag.

Der konkrete Verdacht der Rechtssbeugung und Freiheitsberaubung

Der Staatsanwalt wird verdächtigt, in Chemnitz am 27.08.2018 als Amtsträger zum Nachteil der Herren Yousif A. und Alaa S. jeweils einen Haftbefehl in dem Ermittlungsverfahren zum AZ „ABC“ beantragt und sich dabei mit unbedingtem Vorsatz in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt zu haben, obwohl er erkannte, dass in keinem der beiden Fälle Beweismittel vorlagen, die einen dringenden Tatverdacht begründen konnten.

Der Richter wird verdächtigt, in Chemnitz am 27.08.2018 in seiner Eigenschaft als Haftrichter am Amtsgericht Chemnitz, die von dem Staatsanwalt vorgelegten Haftbefehlsanträge erlassen und sich dabei mit unbedingtem Vorsatz aus sachfremden Erwägungen in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt zu haben, obwohl er erkannte, dass in keinem der beiden Fälle Beweismittel vorlagen, die einen dringenden Tatverdacht begründen und somit den Erlass und den Vollzug der Haftbefehle rechtfertigen konnten. Beide Beamte sind verdächtig, dabei gemeinschaftlich gehandelt zu haben.

Zugleich werden der Staatsanwalt und der Richter, nach einem gemeinsamen Tatplan gemeinschaftlich handelnd, der Freiheitsberaubung verdächtigt, in dem sie  Yousif A. und Alaa S. ab dem 27.08.2018 rechtswidrig und vorsätzlich in Justizvollzugsanstalten eingesperrt und länger als eine Woche ihrer Freiheit beraubten und dazu unter Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB den Erlass und den Vollzug der beiden Haftbefehle herbeiführten.

Verbrechen strafbar gemäß §§ 339, 239 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 25, 53 StGB

Grundvoraussetzung für den Erlass von Haftbefehlen lagen nicht vor

Erste Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls ist ein dringender Tatverdacht. Ist der nicht gegeben, darf ein Haftbefehl nicht erlassen werden. Der dringende Tatverdacht setzt eine sich aus Beweismitteln ergebende erhebliche Tatsachendichte voraus, die eine Täterschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe legt.

Der erfundene dringende Tatverdacht

Die von dem Staatsanwalt vorgelegten Haftbefehlsanträge benennen zur Begründung des dringenden Tatverdachts insgesamt sieben Beweismittel. An erster Stelle steht die Aussage eines der beiden Beschuldigten (Alaa S.). Der hatte jedoch schon bei der Polizei und später nochmals im Beisein des Staatsanwalts und Richters die Tat bestritten. Weiter werden zwei Zeugen benannt. Beide Zeugen konnten aber den Tathergang bei ihren Vernehmungen nicht beschreiben und auch nichts zu den möglichen Tätern aussagen. Bei den drei weiteren Beweismitteln handelt es sich um polizeiliche Aktenvermerke, die keinen Bezug zu den möglichen Tätern haben und vielmehr belegen, dass die Ermittlungsbehörden zum Tathergang keine Erkenntnisse über den Tatablauf und die daran beteiligten Personen hatten.

Staatsanwalt und Haftrichter müssen unter diesen Umständen wider besseres Wissen den dringenden Tatverdacht bejaht haben. Dabei gingen beide sogar soweit, dass sie in beiden Haftbefehlen, die eine Tatbeteiligung bestreitenden Einlassungen eines der Beschuldigten, schlichtweg in tatverdachtsbegründende Einlassungen umdeuteten. Dass auch der zweite Beschuldigte jede Tatbeteiligung bestritt, findet in den Haftbefehlen keine Erwähnung.

Als zwei Tage nach Erlass der Haftbefehle ein Zeuge aussagte, Yousif A. sei an der Tat nicht beteiligt gewesen, blieb der Staatsanwalt untätig. Statt die Aufhebung des Haftbefehls zu betreiben ignorierte er die Zeugenaussage als ob sie nicht existiere.

Aus den dargelegten Gesamtumständen ist auszuschließen, dass es sich bei dem Handeln der beiden angezeigten Beamten um eine einfache Unvertretbarkeit, um lediglich fehlerhafte Rechtsanwendung oder um Ermessensfehler handelt, die der Strafbarkeit der Rechtsbeugung entzogen sind. Außerdem handelt es sich bei beiden um im Strafrecht erfahrene Beamte der Justiz. Jeder Jurastudent hätte erkannt, dass kein Haftbefehl zu beantragen und erst recht nicht zu erlassen war. Es stellt sich dann die Frage, warum beide Beamte vermeintlich rechtswidrig handelten.

Politische und damit sachfremde Erwägungen als Motiv

Es ist zu vermuten, dass dem Handeln des Staatsanwalts und des Haftrichters politische und damit sachfremde Erwägungen zu Grunde lagen. So ist es naheliegend anzunehmen, dass die angezeigten Beamten mit den beiden Inhaftierungen einen schnellen Aufklärungserfolg vortäuschen wollten, um die wegen der Tötungshandlung gegen Ausländer aufgebrachte Öffentlichkeit zu beruhigen und nationalistische sowie rechtsextreme Ausschreitungen in Sachsen, insbesondere in Chemnitz, einzudämmen.  Damit sollte vermutlich zugleich einen „Beitrag“ geleistet werden, dem Fokus der europaweiten Negativberichterstattung der Medien zu entrinnen.

Rechtsstaatlichkeit bedeutet die Bindung staatlicher Organe an Recht und Gesetz. Im Rechtssataat dürfen Unschuldige nicht verfolgt werden-dieser Grundsatz ist weder politisch noch auf andere Weise zu relativieren, und er gilt auch in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Situation. Richter als Bestandteil der Judikative und Staatsanwälte als Bestandteil der Exekutive haben das Rechtsstaatsprinzip zu wahren. Die Rechtsstaatlichkeit hatte im vorliegenden Fall das Nachsehen. Dagegen ist konsequent vorzugehen, auch um ein Zeichen für die Zukunft zu setzen.

Juristische Erläuterungen 

Sie finden hier Erklärungen, was Juristen unter Rechtsbeugung durch Richter, Staatsanwälte und andere Amtsträger verstehen. Welche Rolle der „dringende Tatverdacht“ bei der Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls spielt, ist hier erläutert.

Auswechselung des Staatsanwalts gefordert

Inzwischen gibt es eine beue Entwicklung (April n2019), die sie hier nachlesen können.