Vergewaltigung – oder doch nicht?
Ein Student kam in meine Kanzlei mit einem Anhörungsbogen von der Polizei. Der Vorwurf lautete auf besonders schweren Fall der Vergewaltigung. Er hatte zuvor eine flüchtige sexuelle Beziehung zu einer jungen Frau unterhalten. Die Beziehung beendete er gegen den Willen der Frau. Sie war enttäuscht und zeigte ihn wegen angeblicher Vergewaltigung an.
Die Frau behauptete in Ihrer Anzeige, nach zum anfänglich gewolltem Geschlechtsverkehr hätte er sie an den Haaren gezogen, gewürgt und gegen ihren Willen erneut den Geschlechtsverkehr vollzogen.
Nachdem ich Einblick in die Ermittlungsakte nehmen konnte und die Aussage der Zeugin auswerten konnte, fiel mir auf, dass bereits nach der Aussage der Zeugin der Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt sein dürfte.
Voraussetzung einer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 StGB ist, dass der Täter gegen den erkennbaren Willen des Opfers sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt. Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht.
Unstreitig hatte mein Mandant mit der Zeugin den Beischlaf vollzogen, aber - entgegen ihrer Aussage bei der Polizei – geschah dies im gegenseitigen Einvernehmen. Nach der Aussage der Zeugin wurde der Geschlechtsverkehr mit meinem Mandanten mehrfach unterbrochen, in der Zeit der Pause haben mein Mandant und die Zeugin etwas getrunken und vertrauliche Gespräche geführt, um danach den Geschlechtsverkehr fortzusetzen. Es gab zu keinem Zeitpunkt Anzeichen für einen entgegenstehenden Willen der Zeugin.
Nachdem sich mein Mandant umfassend zu den Tatvorwürfen eingelassen hat und die Staatsanwaltschaft von mir darauf hingewiesen wurde, dass bereits nach der Aussage der Zeugin, der objektive Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt ist, wurde das Verfahren gegen meinen Mandanten ohne Erhebung einer Anklage gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Zu schnell werden Vergewaltigungsvorwürde erhoben, wenn Beziehungen in die Brüche gehen oder einen Partner die Reue über eine sexuelle Begegnung überkommt. Die Belastungen bei einer solchen Verdächtigung sind groß, so droht doch im Falle einer Verurteilung eine mehrjährige Haftstrafe und die soziale Ächtung.
Die Verteidigung durch einen erfahrenen Strafverteidiger ist daher unabdingbar.
Wohnungsdurchsuchung war rechtswidrig
Amtsgericht Konstanz stellte die Rechtswidrigkeit einer Hausdurchsuchung fest.
Wohnungsdurchsuchungen in der Nachtzeit sind an besondere Voraussetzungen gebunden (§ 104 StPO). Danach ist eine Durchsuchungsmaßnahme auch bei Gefahr in Verzug möglich.
Was war geschehen?
Im September vorigen Jahres verlangten gegen 3:30 Uhr uniformierte Polizeibeamte den Zutritt zur Wohnung meines Mandanten. Sie gaben an, im Besitz eines mündlichen Durchsuchungsbeschlusses zu sein, den angeblich die Bereitschaftsstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Konstanz angeordnet hätte. Was genau meinem Mandanten vorgeworfen wurde und woraus sich ein möglicher Anfangsverdacht einer Straftat hätte ergeben können, führten die Polizeibeamten nicht näher aus. Nachdem sich anfänglich mein Mandant weigerte, den Zutritt zur Wohnung zu gewähren, drohten die Beamten mit Gewaltanwendung. Daraufhin gewährte mein Mandant den Polizeibeamten Zutritt zu seiner Wohnung.
Nachdem ich, nach erheblicher zeitlicher Verzögerung, endlich durch die Staatsanwaltschaft Konstanz Akteneinsicht erhielt, stellte sich heraus, dass in der Akte weder ein Durchsuchungsbeschluss, noch ein Vermerk über die angebliche telefonische Anordnung der Bereitschaftsstaatsanwältin zur Hausdurchsuchung enthalten war. Trotz mehrfacher Nachbesserung des Inhaltes der Ermittlungsakte war nicht erkennbar, woraus sich die Gefahr in Verzug ergeben sollte und woraus sich ein Anfangsverdacht einer Straftat ergab.
Daraufhin wurde von mir beim zuständigen Untersuchungsrichter der Antrag gestellt, festzustellen, dass die in Rede stehende Wohnungsdurchsuchung rechtswidrig war. Dem es letztendlich der Untersuchungsrichter des Amtsgerichtes Konstanz gefolgt und hat die Unzulässigkeit der Wohnungsdurchsuchung festgestellt.
Dokumentation und Begründetheit der Durchsuchnungsmaßnahme
Erst zwei Monate nach der Durchsuchungsmaßnahme wird überhaupt erst ein Vermerk über die Durchführung der Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei erstellt. Es wird kein Durchsuchungsprotokoll gefertigt und der Mandant auch über mögliche Rechtsmittel gegen die Durchsuchungsmaßnahme nicht aufgeklärt. Erst nach 11 Monaten wird ein ergänzender Aktenvermerk durch die Polizei gefertigt, aus dem überhaupt erstmalig hervorgeht welche Gegenstände bei der Durchsuchungsmaßnahme in der Wohnung meines Mandanten gesucht wurden. Auch aus der dienstlichen Stellungnahme der anordnenden Staatsanwältin geht nicht hervor, woraus sich die Gefahr im Verzug ergab.
Die äußerst mangelhafte Dokumentation der Ermittlungsmaßnahme führte dazu, dass der Ermittlungsrichter die Voraussetzungen für die Durchsuchungsmaßnahme hat nachträglich nicht mehr überprüfen können. Da die verfassungsrechtlich gebotene richterliche Kontrolle der Annahme von Gefahr in Verzug nur möglich ist, wenn die Grundlagen der Entscheidung und ihr Zustandekommen zeitnah vollständig in der Verfahrensakte dokumentiert und begründet wird (BVerfGE 103,142 ff.; BVerfGE 14, 107 ff.), was hier nicht der Fall war, war die Rechtswidrigkeit der Hausdurchsuchung festzustellen.
Lesen Sie hier, was bei einer Hausdurchsuchung zu beachten ist.
Abschiebung drohte und konnte verhindert werden
Abschiebung abgewendet. Trotz Aufforderung zur Ausreise wurde die Abschiebung verhindert.
Tunesischer Ingenieur erhält den Aufenthaltstitel – Blaue Karte EU
Mein Mandant – ein tunesischer Staatsbürger – suchte meine Kanzlei auf, mit einem Bescheid der Ausländerbehörde, der seine baldige Ausreise aus Deutschland anordnet. Ihm wurde bereits die Abschiebung angedroht.
Er war ursprünglich mit einem Visum als Fachkraft eingereist und hat anschließend eine Tätigkeit als Ingenieur aufgenommen. Nachdem er eine Kündigung erhalten hat, erfüllte er die Voraussetzungen für den Aufenthalt – Blaue Karte EU nicht mehr. Er bemühte sich um eine neue Anstellung, versäumte es aber sich bei der Ausländerbehörde zu melden und einen neuen Aufenthaltstitel für die Jobsuche zu beantragen, sodass sein Aufenthaltstitel auslief.
Der Mandant verfügte über einen anerkannten Universitätsabschluss als Ingenieur und konnte einen Job mit einem entsprechenden Jahresgehalt finden. Ich beantragte für ihn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §18g Aufenthaltsgesetz unter Absehen des Visumserfordernisses, da er sich noch in Deutschland befand. Nach kurzer Bearbeitungszeit teilte die Ausländerbehörde mit, dass er zur Erteilung des Aufenthaltstitels die Ausländerbehörde aufsuchen kann. Durch mein Tätigwerden konnte ihm die Ausreise aus Deutschland und die erneute langwierige Beantragung eines Visums bei dem Konsulat in Tunesien erspart werden.
Die Voraussetzungen der Blauen Karte EU finden sich in § 18 g AufenthG:
Demnach kann der Aufenthaltstitel z.Zt. erteilt werden, wenn
- eine anerkannte Berufsausbildung (mindestens drei Jahre in Vollzeit) oder ein Universitätsabschluss vorliegt,
- ein Jobangebot für eine qualifizierte Beschäftigung vorliegt,
- ein Bruttojahresgehalt in Höhe von 45.300 Euro (in Mangelberufen 41.041,80) vorliegt.
Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, dann können Sie die blaue Karte EU erhalten.
Benötigen Sie weitere Informationen oder wünschen Sie, dass ich für Sie den Aufenthalt – Blaue Karte EU oder auch einen Aufenthaltstitel als Fachkraft beantrage, dann zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren.
Nachträgliche Sicherungsverwahrung kann konventionswidrig sein
Verstößt die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen Art. 5 der EMRK?
Die Sicherungungsverwahrung kann sich nach einer Haftstrafe anschließen und ist ein freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sichunr nach §§ 66, 66a StGB. Eine solche Maßregel kann auch unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich angeordnet werden.
Eine Freiheitsentziehung, zu der nach der Rechtsprechung des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) auch die Sicherungsverwahrung gehört, darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 EMRK erfolgen: Der Gerichtshof weist darauf hin, dass eine erschöpfende Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst wird (EGMR 27505/14):
Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) legitimiert die Freiheitsentziehung, die sich aus einer gerichtlichen Verurteilung ableiten und den Betroffenen sanktionieren. Hier wird ein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der Freiheitsentziehung gefordert. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung fällt nicht unter Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a, da ihre nachträgliche Anordnung nicht unmittelbar mit einer vorherigen konstitutiven Schuldfeststellung verbunden ist, wenn sie in der ursprünglichen Verurteilung nicht vorhergesehen war (EGMR 19.04.2012 – 61272/09). Daher kann Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a EMRK nicht zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung herangezogen werden.
Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. c EMRK legitimiert die Freiheitsentziehung in Verdachtsfällen. Zwar greift die Norm bei dem Haftgrund der Wiederholungsgefahr, sodass es zunächst den Anschein hat, dass eine Präventivhaft mit der Norm begründet werden könnte. Aber da die in Zukunft befürchteten Taten in Bezug auf Tatort, Tatzeit und Tatopfer nicht näher konkretisiert sind, kann die Sicherungsverwahrung nicht gerechtfertigt werden (EGMR 17.12.2009 – 19359/04).
Entscheidend für die Freiheitsentziehung im Rahmen der Sicherungsverwahrung ist Art. 5 Abs. 1 S.1 lit. e EMRK. Die EMRK gestattet den Vertragsstaaten die Freiheitsentziehung im Falle von psychisch Kranken anzuordnen und zu vollziehen. Die Freiheitsentziehung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie gesichert infolge einer aus der Krankheit resultierenden Gefahr notwendig ist, um die öffentliche Sicherheit zu schützen. Die vier folgenden Voraussetzungen sind zur Rechtfertigung der Freiheitsentziehung erforderlich:
- Die gesicherte Feststellung, dass eine psychische Erkrankung vorliegt;
- Die Haft muss auch im Einzelfall verhältnismäßig sein;
- Die Haft darf nur so lange angeordnet und vollzogen werden, wie es die Erkrankung erzwingt;
- Die Unterbringung muss die Behandlung des Betroffenen wegen seiner Erkrankung ermöglichen;
Im Hinblick auf die erste Voraussetzung gilt, dass eine tatsächliche psychische Störung aufgrund eines objektiven ärztlichen Gutachtens von einer zuständigen Behörde festgestellt worden ist. Dabei verfügen die nationalen Behörden hinsichtlich der Bewertung klinischer Befunde über einen gewissen Ermessensspielraum. Aber die in Artikel 5 Abs. 1 aufgeführten zulässigen Gründe für eine Freiheitsentziehung sind eng auszulegen. Eine psychische Erkrankung muss einen gewissen Schweregrad aufweisen, um als „tatsächliche“ psychische Störung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e angesehen zu werden, da sie so ernst sein muss, dass sie der Behandlung in einer Einrichtung für psychisch kranke Patienten bedarf (EGMR 6281/13).
Wenn eine der vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann kann die Freiheitsentziehung nicht auf Art. 5 Abs.1 S. 1 lit. e gestützt werden. In diesem Falle wäre die nachträgliche Sicherungsverwahrung konventionswidrig.
Cannabisamnestie - Amnestie für Cannabisbesitzer
Amnestie für Cannabisbesitzer nach der Teillegalisierung von Cannabis
Cannabisamnestie: Noch nicht vollstreckte Strafen wegen Cannabisbesitz nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen unter die Amnestie nach dem Cannabisgesetz (CanG).
Mit in Krafttreten des CanG erhält das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EG StGB) einen neuen Artikel 316p. Dieser sieht vor, dass vor dem 1. April 2024 verhängte Strafen nach dem BtMG, die nunmehr nach dem Konsumcannabisgesetz bzw. nach dem Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar sind und auch nicht mit einer Geldbuße bedroht sind, amnestiert werden.
Cannabisamnestie
Rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach 1. April 2024 nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, werden mit Inkrafttreten des CanG erlassen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind. Der Straferlass erstreckt sich auf Nebenstrafen und Nebenfolgen mit Ausnahme der Einziehung und Unbrauchbarmachung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz, sowie auf rückständige Bußen und Kosten (Verfahrenskosten).
Die Cannabisamnestie schließt Urteile ein, die nach dem 1. April 2024 rechtskräftig werden, weil kein Rechtsmittel eingelegt oder zurückgenommen wird oder das Rechtsmittel unzulässig ist bzw. das Urteil aus anderen Gründen rechtskräftig wird, ohne dass der Schuldspruch geändert werden konnte.
Ist der Täter sowohl für Handlungen verurteilt worden, die nach dem 1. April 2024 nicht mehr strafbar sind als auch weiterhin strafbar sind, so setzt das Gericht die Strafe neu fest. Ist eine Gesamtstrafe aus mehreren Einzelstrafen gebildet worden, so ist ebenfalls eine neue (gemilderte) Strafe festzusetzen.
In Zweifelsfällen ist eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 StPO herbeizuführen.
Die Amnestie nach Artikel 316p EG StGB greift jedoch nur für noch nicht vollstreckte Strafen. Ist die Strafe aus dem Urteil bereits vollstreckt, so besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Löschung der Verurteilung aus dem Vorstrafenregister (BZR).
Zur TEILLEGALISIERUNG des Besitzes von Cannabis in Deutschland seit dem 1. April 2024 lesen Sie hier weiter.
Fallen Sie unter die neuen Amnestieregeln? Dann können Sie sich gern an den Autor wenden.
Vorzeitige Tilgung aus dem BZR wegen KCanG
Vorzeitige Tilgung von Eintragungen aus dem Vorstrafenregister wegen Teillegalisierung des Besitzes von Cannabis
Eine vorzeitige Tilgung von Eintragungen in dem Bundeszentralregister nach dem Cannabisgesetz vom 27.03.2024 (CanG),s in dem der Besitz von Cannabis in Deutschland legalisiert wurde, soll an dieser Stelle kurz dargestellt werden.
Seit dem 01.04.2024 wurde mit dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) der Besitz von Cannabis zum Teil legalisiert. Einher geht damit eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG), das eine vorzeitige Tilgung von rechtskräftigen Verurteilungen nach § 29 BtMG ermöglicht.
Wer hat einen Anspruch auf vorzeitige Löschung?
Die mögliche vorzeitige Tilgung erfolgt unter folgenden Voraussetzungen:
Eine Veruteilung nach § 29 BtMG kann gelöscht werden, wenn der Verurteilte wegen des unerlaubten Umgangs mit Cannabis oder deren Vermehrungsmaterial verurteilt wurde.
Die der Verurteilung zu Grunde liegende Tat ist heute nicht mehr strafbar. Nicht mehr unter Strafe steht z.B. der nunmher erlaubte Besitz von Cannabis (Blüten, Blätter oder Pflanzenmaterial ) im Sinne von § 3 KCanG von Erwachsenen im Umfang von bis zu 30g bzw. 60g (§ 34 KCanG).
Wurde also der Verurteilte wegen einer Tat bestraft, die heute nach dem KCanG legal ist und nicht mehr von einem Straftatbestand erfasst wird, besteht ein Anspruch auf Tilgung.
Es sind auch Entscheidungen tilgungsfähig bei denen nachträglich aus mehreren Einzelstrafen wegen Verurteilungen nach § 29 BtMG eine Gesamtstrafe gebildet wurde ( § 40 Abs.2 BZRG).
Erfolgte allerdings eine Verurteilung auch nach § 29 BtMG wegen Taten, die auch seit dem 1. April 2024 unter Strafe stehen, so ist eine Tilgung nicht möglich (§ 40 Abs.3 KCanG).
Wie erfolgt die Löschung?
Die Löschung erfolgt auf Antrag des Verurteilten bei der Staatsanwaltschaft, die nach dem Gericht des ersten Rechtszuges der o.g. Verurteilung oder bei der Gesamtstrafenbildung zuständig war. Bei Personen mit Wohnsitz im Ausland, ist die Staatsanwaltschaft Berlin für den Antrag zuständig.
Lehnt die zuständige Staatsanwaltschaft eine Tilgung ab, ist dies gegenüber dem Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden.
Gibt die Staatsanwaltschaft dem Antrag statt und stellt sie die Tilgungsfähigkeit fest, so teilt sie dies dem Antragsteller und der Registerbehörde mit, die dann die Löschung vornimmt.
TEILLEGALISIERUNG des Besitzes von Cannabis
Die TEILLEGALISIERUNG des Besitzes von Cannabis in Deutschland seit dem 1.April 2024
Mit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes (kurz KCanG) zum 01.04.2024 wurde erstmals in Deutschland der Besitz von Cannabis legalisiert. Der Besitz und zwar ausschließlich von Cannabis und keinen anderen im Betäubungsmittelgesetz (BTMG) geregelten weiteren Drogen, ist in engen Grenzen legal.
Was heißt das aktuell im Einzelnen?
Grundsätzlich ist es nach wie vor verboten Cannabis zu besitzen, anzubauen, herzustellen, damit Handel zu treiben, einzuführen oder auszuführen, abzugeben oder weiterzugeben oder in Verkehr zu bringen, zu erwerben usw. (§ 2 KCanG).
Hiervon macht nunmehr allerdings der Gesetzgeber in § 3 KCanG eine von vielen begrüßte Ausnahme:
Erwachsene, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen bis zu 25 g Cannabis (bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigen Pflanzenmaterial der Cannabispflanze nach dem Trocknen) zum Eigenkonsum besitzen. Die Menge zum Eigenbesitz erhöht sich auf bis zu 50 g Cannabis bzw. bis zu 3 lebenden Cannabispflanzen am Wohnsitz der erwachsenen Person bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort. Auch hier gilt das die Höchstmenge von 50 g bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigen Pflanzenmaterial der Cannabispflanze nach dem Trocknen zu bemessen ist.
Ein darüber hinausgehender Besitz ist nur im Rahmen der Mitgliedschaft einer erlaubnispflichtigen Anbauvereinigung nach § 11 Abs. 1 KCanG oder zum Zwecke des Transports nach § 22 Abs. 3 KCanG zulässig.
Konsumverbot für unter 18. - jährige
Unter 18-jährigen ist es nach wie vor verboten, Cannabis im Sinne von § 2 KCanG zu besitzen, anzubauen, herzustellen, damit Handel zu treiben, einzuführen oder auszuführen oder in Verkehr zu bringen.
In unmittelbarer Gegenwart von Personen unter 18 Jahren ist der Konsum von Cannabis untersagt (§ 5 KCanG). Der öffentliche Konsum von Cannabis ist generell in Schulen, auf Kinderspielplätzen, In Kinder-und Jugendeinrichtungen, öffentlich zugänglichen Sportstätten, Fußgängerzonen in der Zeit von 7:00 bis 20:00 Uhr und innerhalb des befriedeten Besitztums von Anbauvereinigungen und in deren Sichtweite verboten. Dies bedeutet, dass zu den hier in § 5 Abs. 2 KCanG geregelten Einrichtungen ein Abstand von mindestens 100 m zu halten ist bzw. hier auch ein Konsumsverbot gilt.
Darüber hinaus gilt ein Konsumsverbot im militärischen Bereich der Bundeswehr und es gilt ein generelles Werbeverbot für Cannabis.
Eigenanbau
Im oben genannten Umfang ist Personen über 18 Jahren an ihrem Wohnsitz bzw. ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort der private Eigenanbau max. 3 Cannabispflanzen erlaubt. Der Cannabis aus diesem privaten Eigenanbau darf an Dritte nicht weitergegeben werden. Es ist sicherzustellen, dass Dritte keinen Zugriff haben, insbesondere dürfen Kinder und Jugendliche keinen Zugang haben (§§ 9,10 KCanG).
Die Straftatbestände bzw. Bußgeldvorschriften des Konsumcannabisgesetzes werde ich noch gesondert vorstellen.
Tilgung von Altfällen aus dem Bundeszentralregister - Amnestieregelung
Die §§ 40 ff. KCanG regeln die Möglichkeit der vorzeitigen Tilgung von Verurteilungen im Bundeszentralregister (Vorstrafenregister). Das Gesetz sieht auch eine Amnestie für noch nicht vollstreckte Strafen im Zusammenhang mit Cannabis nach dem BTMG vor. Auch diese Regelungen werden von mir noch in einem gesonderten Artikel näher dargestellt.
Strafverteidigung in Auslieferungsverfahren
Auslieferungsverfahren war das Thema der Arbeitsgruppe 8 auf dem 45. STRAFVERTEIDIGERTAG vom 1.3.-3.3.2024.
Auslieferungsverfahren und Strafverteidgung: Die Arbeitsgruppe 8 hatte Aktuelles zum Auslieferungsrecht zum Gegenstand. In dieser Arbeitsgemeinschaft wurden vornehmlich praktische Hilfestellungen in der Verteidgung gegen Auslieferungsersuchen und länderspezifische Besonderheiten in U-Haft und Strafhaft angeboten. An dieser Stelle nochmals einen recht herzlichen Dank an den Moderator der AG RA Werning und die Referenten. Das über den gesamten Sonnabend stattfindende Panel war sehr gut strukturiert und sehr informativ. Ein großes Thema, welches sich durch alle Beiträge zog, war immer wieder die anstehende Reform des IRG (Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen) und der aktuelle Meinungsstand zur dringend notwendigen Reform.
Im Ergebnis verabschiedete die Arbeitsgruppe 8 zur Reform des Auslieferungsrechtes forlgende Ergebnisse:
1.
Auch unter Geltung des Grundsatzes, dass auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen, sowie des Völkerrechts in dem um Auslieferung ersuchenden Staates grundsätzlich zu vertrauen ist, sind die zuständigen Gerichte im gerichtlichen Zulässigkeitsverfahren im Vorgriff auf eine Auslieferung verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und etwaige Auslieferungshindernisse in hinreichender Weise, also in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu prüfen (BVerfG [K], Beschl. v. 8.12.2021 – 2 BvR 1282/21).
2.
In diesem Rahmen hat zur Prüfung der Einhaltung der unabdingbaren Mindeststandards eine begrenzte Fremdrechts- und Verfahrenskontrolle im ersuchenden Staat zu erfolgen (ggf. auch des Prozessrechts), sobald durch entgegenstehende Tatsachen, etwa die Darlegung systemischer Defizite im Zielstaat, stichhaltige Gründe vorgebracht sind, nach denen im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat diese Mindeststandards nicht beachtet werden.
3.
Diplomatischen Zusicherungen sollten nur dann die Eignung zugesprochen werden, Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Auslieferung auszuräumen, wenn neben den Mindestvoraussetzungen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.2016 – 1 AK 4/16: namentliche Benennung der Haftanstalt; Art. 3 EMRK-konforme und konkret beschriebene Haftbedingungen; Erklärung des Auswärtigen Amtes/Außenministerium bzw. einer von dieser beauftragten Stelle) die Möglichkeit der Überprüfung der Einhaltung der Haftbedingungen durch deutsche Konsularbeamte vor Ort (BVerfG, Beschl. v. 2.2.2016 – 2 BvR 2486/15), von Monitoring-Besuchen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.2023 – Ausl 301 AR 105/21), sowie des Besuchs von Ärzten bei Bedarf medizinischer Kontrolle (BVerfG, Beschl. v. 28.7.2016 – 2 BvR 1468/16) zugesichert werden.
4.
In diesem Zusammenhang fordern wir die Festlegung von Fristen durch den Gesetzgeber, innerhalb derer die angeforderten Zusicherungen vorliegen müssen; fehlen sie, ist die Auslieferung zu versagen, jedenfalls aber der Haftbefehl aufzuheben. Zur Stärkung der Rechte des Betroffenen fordern wir zudem, dass eine Haftbeschwerde ermöglicht werden muss, um auch auf diesem Wege eine frühzeitige Trennung von Haftsituation und Auslieferung zu erreichen. Das teils langwierige Auslieferungsverfahren kann auch ohne eine andauernde Inhaftierung weiter betrieben werden. Hierzu sind etwa Möglichkeiten der elektronischen Fußfessel/Hausarrest zu schaffen, wie es in anderen europäischen Ländern üblich ist (etwa in Italien). Die anstehende Reform des IRG sollte insgesamt dazu führen, dass die bestehenden Defizite im Rechtsschutz beseitigt und die Transparenz der Entscheidungen erhöht wird.
(Quelle: Ergebnisse & Thesen des 45. Strafverteidigertages Hamburg, 1. - 3. März 2024)
KiPo § reformbedürftig
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
KiPo ist die gängige Abkürzung für den Straftatbestand des § 184 b StGB - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte.
Was genau der Straftatbestand aktuell unter Strafe stellt, können Sie hier nachlesen. Was unter kinderpornographischen Inhalten zu verstehen ist, können Sie hier nachlesen.
In diesem Artikel geht ist um die Frage, ob die Abschaffung des minderschweren Falles und die Strafverschäfung, in dem man die Mindeststrafe auf ein Jahr angehoben hat, nicht verfassungwidrig ist und dringend reformiert werden muss.
Die aktuelle Fassung des § 184 b Abs. 1 u. 3 StGB sieht für den Erwerb, die Verbreitung und den Besitz kinderpornographischer Inhalte eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Dadurch wird der Tatbestand zu einem Verbrechen und die Möglichkeiten einer Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen gemäß § 153, 153 a und die Verwarnung mit Strafvorbehalt § 59 StGB, sowie die Erledigung im Strafbefehlsverfahren werden ausgeschlossen. Die Norm sieht auch keinen minder schweren Fall vor.
Viele Strafjuristen haben Zweifel an der Zulässigkeit der aktuellen Rechtslage. Richter setzen Strafverfahren aus und legen die Akten dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des KiPo - § vor.
Vorlagen einzelner Strafgerichte
Das Amtsgericht Buchen (1 Ls 1 Js 6298/21) hat ein Verfahren gegen eine Tatverdächtige ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Sache vorgelegt, mit der Frage ob die Norm gegen die Verfassung verstößt und nichtig ist, da sie das Übermaßverbot und das Schuldprinzip missachtet.
Das Amtsgericht München (853 Ls 467 Js 181486/21) hat ebenfalls ein Verfahren ausgesetzt und die Akte dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt mit der Frage, ob § 184 b Abs. 1 Nr. 1 StGB verfassungsmäßig ist.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.
Verfassungswidrigkeit des KiPo §
Nach weit verbreiteter Meinung verstößt § 184 b (1) (3) StGB in der aktuellen Fassung hinsichtlich der Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe gegen den Schuldgrundsatz und das Übermaßverbot und ist daher verfassungswirdig.
Der aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Schuldgrundsatz gebietet es, dass die Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters steht. Dieselbe Anforderung ergibt sich aus dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit in Form des Übermaßverbots. Für das Übermaßverbot des Grundgesetzes gilt, dass bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für den Adressaten des Verbots gewahrt sein muss. Für das Strafrecht bedeutet das, dass die Schwere der Tat und das Verschulden des Täters zu der Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen. Eine Strafandrohung darf nach Maß und Art dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfGE 54, 100, 108).
Verstoß gegen EU- Grundrechtecharta
Der § 184 b StGB a.F. verstößt auch gegen Art. 49 Abs. 3 EU-Grundrechtecharta. Nach Art. 49 Abs. 3 EU-Grundrechtecharta darf das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein. Nach der Rechtsprechung des EUGH erfordert Art. 49 Abs. 3 Grundrechtecharte, dass bei der Strafzumessung die Schwere des Verstoßes individuell beurteilt wird (EuGH C 99/17; EUGH C-444/11 P; EuGH C 272/09 P). Dies ist bei der derzeitigen Ausgestaltung der Rechtsfolge des § 184 b StGB gerade nicht möglich.
Aktuelles Reformvorhaben
Es gibt mittlerweile einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, welcher eine Herabsetzung der Mindeststrafe in § 184 b Abs. 1 S. 1 auf sechs Monate und in § 184 b Abs. 3 auf drei Monate vorsieht.
Stand 2/2024
Kindesentziehung - Entziehung Minderjähriger
Kindesentziehung - Die Entziehung Minderjähriger ist nach § 235 StGB strafbar. Dass wissen inzwischen fast alle, nachdem sie vom spektakulären Fall der Block-House-Erbin Christina Block Kenntnis erlangten. Was jedoch die Wenigsten wissen ist, dass die Entziehung Minderjähriger in das Ausland nach § 235 Abs. 2 StGB gegen EU-Recht verstößt und reformiert werden muss.
Der EuGH hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass der § 235 Abs. 2 StGB in seiner aktuellen Fassung gegen geltendes Europarecht, insbesondere gegen die Freizügigkeitsregelung des Art. 21 Abs. 1 AEUV, verstößt.
Eine nationale Regelung, durch die bestimmte Angehörige eines Mitgliedstaates allein deswegen benachteiligt werden, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, stellt eine Beschränkung der Freiheiten dar, die Art. 21 Abs. 1 AEUV jedem Unionsbürger zuerkennt (EuGH C-353/06). Das ist bei § 235 Abs. 2 StGB der Fall. Die besondere Strafbarkeit des § 235 Abs. 2 StGB betrifft den Fall, dass ein Kind in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland zurückgehalten wird, daher kann sie sich de facto hauptsächlich auf Unionsbürger auswirken, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind und von ihrer Freizügigkeit und Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht haben und in Deutschland wohnen. Diese Bürger werden nämlich eher als deutsche Staatsangehörige ihr Kind in einen anderen Mitgliedstaat verbringen, namentlich anlässlich ihrer Rückkehr (EuGH C-454/19).
Nach den Ausführungen des EuGH in C-454/19 kann eine Einschränkung der Grundfreiheiten grundsätzlich gerechtfertigt sein. Eine Rechtfertigung ist anzunehmen, wenn sie auf objektiven Erwägungen des Allgemeininteresses beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der fraglichen nationalen Regelung legitimen Weise verfolgten Ziel steht. Eine Maßnahme ist verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des Zwecks geeignet ist und nicht über das Notwendige hinausgeht. Während der EuGH den Schutz des Kindes grundsätzlich als einen legitimen Zweck ansieht, widerspricht er der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, sodass ein rechtswidriger Eingriff in die Grundfreiheiten vorliegt. Im Ergebnis stellt der EuGH fest, dass die Auslegung des Art. 21 Abs. 1 AEUV ergibt, dass er einer Anwendung des § 235 Abs. 2 StGB entgegensteht, sofern dieser eine Strafbarkeit normiert, ohne das die Anwendung von Gewalt, Drohung von Gewalt oder List vorliegt.
Reform des § 235 II StGB
Noch in der laufenden Legislaturperiode ist mit einer Novellierung des § 235 Abs. 2 StGB zu rechnen. Aus einem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums aus dem November 2023 ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg bringen wird.
Im Hinblick auf laufende Strafverfahren wegen Kindesentziehung in das Ausland nach § 235 II StGB sollte die Verteidigung diese Rechtslage in ihre Verteidigungsstrategie mit einfließen lassen.