Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe gefordert
Keine rationalen Gründe für lebenslange Freiheitsstrafe
Auf dem 38. Strafverteidigertag verabschiedeten die teilnehmenden Strafverteidiger am 23. März 2014 eine Resolution, mit der die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe gefordert wird. Daneben werden konkrete inhaltliche Forderungen an die Reform der Tötungsdelikte gestellt. Die Resolution ist hier einsehbar.
Forderung nach Entkriminalisierung von Drogen

Legalisierung der Drogen?
Strafrechtsprofessoren fordern die Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes. und eine Teillegalisierung von Drogen. Aber nicht für alle. In diesem Zusammenhang regen sie die Bildung einer Enquête-Kommission an. Als Sprecher des Initiativkreises hat Prof. Dr. L. Böllinger entsprechende Thesen zur Begründung erarbeitet. Viele namhafte Kriminalwissenschaftler haben sich der Initiative angeschlossen (Liste mit Stand Dezember 2013).
Verbot entzieht dem Staat die Möglichkeit der Kontrolle
In den Thesen zur Begründung wird ausgeführt, dass nicht die Wirkung, sondern die repressive Drogenpolitik Probleme schaffe.
Verbot verfehlt den Zweck
Weiter wird darauf hingewiesen, dass das Verbot den Konsum zu keinem Zeitpunkt verhindert habe.
Verbot fördert organisierte Kriminalität
Auch werde durch das Verbot die organisierte Kriminalität und der Schwarzmarkt gefördert.
Verbot der Drogen gefährdet Rechtsstaat
Das Verbot schränke Bürgerrechte ein umd korrumpiere den Rechtsstaat. Die Machtballung bei Kartellen und Mafia führe zur Gefahr des Scheiterns des Rechtsstaates.
Drogen - Resolution des 38. Strafverteidigertags in Dresden
Die Teilnehmer des 38. Strafverteidigertags in Dresden haben sich mit einer eigenen Resolution der Forderung der Strafrechtsprofessoren am 23. März 2014 angeschlossen.
Hoeneß in Untersuchungshaft - Steuerstrafverfahren

Haftbefehl gegen Hoeneß wegen Verdunkelungsgefahr
Im Strafprozess gegen Hoeneß wurde heute in den frühen Morgenstunden ein gerade vom Gericht erlassener Haftbefehl vollstreckt. Hoeneß wurde vor seinem Haus festgenommen. Er schaute unglaublich ungläubig, als ihm der Haftbefehl eröffnet wurde. Sichtlich schien ihm das Spiel seiner Elf am Vorabend im krassen Widerspruch zu seiner drohenden Niederlage vor der Justiz zu stehen.
Hoeneß und die Verdunkelungsgefahr
Der Haftbefehl stützt sich auf Verdunkelungsgefahr. Zur Begründung heißt es darin, nach dem Bekanntwerden weiterer Steuerstraftaten, die den bisherigen Betrag aus der Anklage fast um ein zehnfaches übersteigen, sei laut einer als Zeugin vernommenen Steuerfahnderin denkbar, dass weitere Millionen hinterzogener Steuern ermittelt würden. Der Haftrichter hält deshalb Verdunkelungsgefahr für gegeben.
Die Enttarnung der Ente
So könnte jedenfalls eine Mitteilung der "Liveticker" unserer Medien aussehen, wenn es den Haftbefehl tatsächlich gäbe. Es stellt sich die Frage, warum es keinen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr gibt. Handelt die Justiz im speziellen Fall Falle konsequent und unabhängig?
Die Drohung eines Bundesministers und die marode Rechtsstaatlichkeit

Friedrich als Garant für die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit?
Stichwort Rechtsstaatlichkeit: Das ist schon mehr oder weniger, wohl eher mehr als weniger eine Entgleisung des Bundesministers Friedrich, einen überfälligen Rücktritt zu verkünden und den gleichzeitig mit der Drohung zu verbinden: "Ich komme wieder!" Was denkt sich ein solcher Mann eigentlich? Er ist einer Straftat verdächtig (Geheimnisverrat gem §353b StGB) und meint wieder in höchste Staatsämter aufsteigen zu können? Aber selbst wenn es hypothetisch betrachtet keine Straftat wäre, stünde dann nicht eine verwerfliche Moral einem neuerlichen Aufstieg in höchste Ämter im Wege? Denn es wäre mir neu, wenn es einem (ehemaligen) Bundesinnenminister zustünde, sich vom BKA über Ermittlungen einzelner Bürger informieren zu lassen und die Erkenntnisse dann an Dritte (in dem Falle an die SPD-Spitze) außerhalb der Strafverfolgungsbehörden in Spitzelmanie weiterzuverbreiten.
Das Kernbroblem beim Namen genannt: Friedrich handelte unter Mißbrauch seines Amtes rechtsstaatswidrig, in dem er das Monopol des Staates zur Strafverfolgung missachtete und ihm bekannt gewordene Ermittlungserkenntnisse des BKA zu parteipolitischen Zwecken an Vertreter einer politischen Partei weiterleitete. Wer lernte hier von wem: Putin von Fridrich oder Friedrich von Putin?
Aber muss man über Bespitzelung durch Friedrich verwundert sein, eher ein Waschlappen statt ein Mann, der schon als Innenminister wie die gesamte deutsche Regierung vor weltweiter Bespitzelung der US-Amerikaner abduckte wie ein kolonialisierter Satellitenstaat ohne eigene Staatssouveränität? Und bei der Aufklärung des NSU-Terrors zeigte Friedrich auch nicht das, was man als Mindestanforderung hätte erwarten müssen. Es wird doch kein Zufall gewesen sein, dass Friedrich ausgerechnet Edathy ins Visier nahm, der sich als Vorsitzender des NSU-Ausschusses einen Namen gemacht hat?! Und dann meint Friedrich auch noch "politisch richtig gehandelt zu haben", als er die SPD-Spitze über Ermittlungen gegen einen SPD-Bundestagsabgeordneten informiert habe. Genau hier wird ersichtlich, dass Friedrich den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit missachtet, der besagt, das politisches Handeln nur im Rahmen des gesetzlich Erlaubten stattzufinden hat. Nun war Friedrich zuletzt als Minister nur noch für die Kühe auf deutschen Weiden und das Korn auf deutschen Feldern zuständig. Besser wohl, wenn er den Bauern nicht mehr vorstehen kann und seine Drohung wiederzukommen keine Realität wird.
Das BKA - ein Apparat außerhalb der Rechtsstaatlichkeit?
Und was ist das BKA eigentlich für ein unrechtstaatlicher Staat im Staate, der ohne Kenntnis der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen Nagathy ermittelt?! War eigentlich die Immunität des Abgeordneten zum Zeitpunkt der Berichterstattung an Friedrich aufgehoben worden? Sicherlich nicht, denn das hätte nach Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens nur durch die Staatsanwaltschaft in die Wege geleitet werden können. Haben die Jungs des BKA vergessen, dass sie nicht mehr als Erfüllungsgehilfen der Staatsanwaltschaft sind? Natürlich vergaßen sie das nicht. Denn das BKA handelte gesetzwidrig politisch als Erfüllungsgehilfe der Politik statt zu Strafverfolgungszwecken für die Staatsanwaltschaft, als es eilfertig zum damaligen Innenminister rannte und ihn über Ermittlungen gegen einen Bundestagsabgeordneten informierte. Oder will jemand im Ernst behaupten, die hätten den Innenminister auch dann informiert, wenn es sich um Ermittlungen gegen Personen außerhalb der Politik und somit um Durchschnittsbürger wie Meier, Müller oder Schulze gehandelt hätte?
Friedrich ein Ausnahmefall für gesetzwidriges Handeln und fehlende Moral politischer Amtsträger und mangelnde Rechtsstaatlichkeit?
Was ist eigentlich los im deutschen Staat? Wie ist es um die Rechtsstaatlichkeit bestellt? Da treten reihenweise Politiker zurück, weil sie bei ihren Dissertationen nicht den eigenen Geist, sondern den anderer eingebracht haben. Kein Wunder, wenn der eigene Geist für die Wissenschaft nicht reicht. Aber sehr verwunderlich, das der wenige Geist für höchste Staatsämter ausreichen soll. Und manche fallen nach ihrem Fall nach unten dann auch gleich wieder die Treppe hoch wie Frau Schawan, die nun einen hohen Posten über die Kirche und bei der Kirche zugeschanzt bekommen hat. Sie schrieb ein Buch mit dem Titel: "Gott ist größer als wir glauben". Ein Buch von Friedrich mit dem Titel "Politiker sind größer als Gott" halte ich nicht für unwahrscheinlich.
Und da bleibt ein Steuerbetrüger Kultursenator in Berlin und der Regierende Bürgermeister deckt ihn, weil er so ein Gutmensch in Ausübung seines Kulturamtes gewesen sein soll. Und natürlich findet Wowereit seine damalige Entscheidung auch heute noch für rechtlich und politisch richtig. Fast wortgleich wie Papageien, der Friedrich und der Wowereit.
Rechtsstaatlichkeit vor einem Abgrund?
Vielleicht steht die Rechtsstaatlichkeit heute einen Schritt vor dem Abgrund. Ist sie morgen zwei Schritte weiter? Mit Politikern wie Friedrich sicher. Möge seine Androhung, bald wieder da zu sein, nicht wahr werden.
Der missbrauchte Wille einer Staatsanwältin zur Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs

Die Rüge zum Gerichtsstand als Schutz gegen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs?
Der Weg, um über eine angedrohte Rüge zum Gerichtsstand die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs zu verhindern, mag abwegig klingen und hat dennoch funktioniert. Dieser Weg wurde in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs gewählt. Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus wurde dem Mandanten tatmehrheitlich in 5 selbstständigen Handlungen sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB in verschiedenen Tatalternativen des Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 vorgeworfen. Ausweislich der Anklageschrift sollen die Straftaten über das Internet begangen worden sein. Dabei soll der Mandant die Straftaten in und aus seiner Berliner Wohnung begangen haben. Die Staatsanwaltschaft erhob die Anklage bei einem Amtsgericht im Land Brandenburg.
Die beiden hier relevanten Hauptgerichtsstände sind der des Tatorts (§ 7 Abs. 1 StPO) und der des Wohnsitzes (§ 8 Abs. 1 StPO). In beiden Fällen liegt der Gerichtsstand nicht bei einem Amtsgericht im Land Brandenburg, sondern ausschließlich beim Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Denn zum Einen soll sich der Tatort jeweils in Berlin befunden haben. Zum Anderen soll der Mandant zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im August 2013 seinen festen Wohnsitz gemäß § 8 Abs. 1 StPO in Berlin gehabt haben.
Angedrohte Rüge zum Gerichtsstand verhinderte Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
Zu Beginn der Hauptverhandlung suchte ich um ein "6-Augen-Gespräch" mit der Staatsanwaltschaft und der Richterin nach. Die zuständige Oberstaatsanwältin lehnte eine von mir angeregte Verfahrenseinstellung gem. §153a StPO kategorisch ab und bot eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung an. Es war wohl erheblicher Verfolgungswille der Staatsanwältin im Spiel, meinen Mandanten unbedingt “hinter Gittern sehen zu wollen”. Schon vor der Hauptverhandlung hatte es Versuche zur Verständigung gegeben, in denen mir eine Oberstaatsanwältin mit deutlich unsachlichen Auftreten begegnete, das eine Totalablehnung gegen vermeintliche Sexualstraftäter erkennen ließ und ihr eine objektive Betrachtung des Falles verbaute. Genau das aber versuchte ich mir für meinen Mandanten bei den "Dealgesprächen" zu nutze zu machen. Ich kündigte an, den Gerichtsstand zu rügen und Verweisungsantrag an das Amtsgericht Tiergarten in Berlin zu stellen. Den schriftlich vorbereiteten Antrag legte ich vorsorglich auf den Tisch. Hätte ich ihn gestellt, wäre es zur Abgabe des Verfahrens gekommen. Die Staatsanwältin knickte ein und ließ sich nun auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Geldbuße ein. So konnte sie ihre von mir als Rachegelüste erschienene Einstellung ausleben, was ihr bei Verfahrensabgabe nach Berlin nicht möglich gewesen wäre. Für den Mandanten war das die Sicherung seiner Existenz, weil er sonst wegen des Eintrags im Strafregister keine Dienstreisen mehr in die USA hätte unternehmen können.
Und die Lehre aus der Geschichte um den unbedingten Willen zur Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs: Manchmal kann einem Angeklagten ein übersteigerter Verfolgungswille einer Staatsanwaltschaft zu seinem Nutzen gereichen.
Sex des Heilpraktikers mit Patientin - sexueller Missbrauch

Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses
Es ist nichts Neues und gerade deshalb immer wieder erstaunlich, dass es sich noch immer nicht bei allen Ärzten, Physiotherapeuten und Heilpraktikern herumgesprochen hat: Sex mit Patienten im Rahmen der Behandlung ist auch dann strafbar, wenn dieser im gegenseitigen Einvernehmen stattfindet.
Sexueller Missbrauch durch Heilpraktiker unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses
Ein Heilpraktiker hatte sich vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Verstoß gegen § 174c StGB zu verantworten und wurde zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Berufung wurde verworfen. Die Revision zum Kammergericht blieb ohne Erfolg.
Der Heilpraktiker hatte über einen langen Zeitraum eine Patientin mit Akupunktur behandelt. Es waren Dutzende von Sitzungen, jeweils 30 Minuten und - weil man sich lange kannte - für einen Freundschaftspreis von 10 € statt der üblichen 40 €. Gelegentlich massierte der Heilpraktiker die Patientin nach der Akupunktur auch, er sah das aber lediglich als Freundschaftsdienst und nicht als Bestandteil der Behandlung an. Nach der letzten Akupunktur bot er ihr wieder eine Massagen an, die die Patientin auch annahm. Die verlief dann aber anders als die anderen. Es kam zu eindeutigen sexuellen Handlungen des Heilpraktikers an der Patientin, die über mehrere Minuten andauerten und erst mit ihrem Orgasmus endeten. Sie widersprach während der Massage dem Geschehen nicht, erstattete aber dann einige Tage später Strafanzeige.
Sexueller Missbrauch - Verteidigung des Heilpraktikers
Der Heilpraktiker verteidigte sich aus seiner Sicht - die eines juristischen Laien - durchaus nachvollziehbar. Er räumte die ihm vorgeworfenen Handlungen unumwunden ein. Er stellte sich dann auf den Standpunkt, die Massage habe nicht zur Behandlung gehört, so dass die sexuellen Handlungen außerhalb des Behandlungsverhältnisses gelegen hätten und daher §174c StGB nicht greife.
Das Kammergericht - Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses
Dieser Rechtsargumentation schob letztlich auch das Kammergericht Berlin in seinem ausgeführten Beschluss einen eindeutigen Riegel vor. Der Beschluss enthält zwar Tatsachenbehauptungen, die nicht festgestellt wurden. So wird dort unrichtig behauptet, der Heilpraktiker habe der Patientin zwei zusätzliche Nadeln gesetzt, die ihm die sexuellen Handlungen erst möglich machten oder sie unterstützten. Das hat keine Tatsacheninstanz jemals festgestellt, geschweige denn wurde das in den vorangegangenen Urteilen behauptet. Auch die Behauptung des Revisionsgerichts, das sei alles gegen den Willen der Patientin erfolgt, ist mehr als fragwürdig. Sei es drum: die restriktive Gesetzgebung zu § 174c StGB wird konsequent angewendet wie man an der Entscheidung des Kammerichts entnehmen kann.
Sexueller Missbrauch - gefährlicher Vorwurf gegen Ärzte, Physiotherapeuten und Heilpraktiker
Die Regelung des § 174c StGB mag restriktiv sein. Sie ist auch in Teilen umstritten, gerade wenn es um einvernehmliche sexuelle Handlungen geht. Aber alle Ärzte, Physiotherapeuten und Heilpraktiker sollten wissen, wie sie sich gerade unter Berücksichtigung der Rechtslage verhalten sollten. Mehr Hinweise dazu finden sich auch hier.
Verurteilungswille in Totschlagsprozess?

Verurteilungswille in Berliner Kindstötungsprozess?
Den Eindruck von Verurteilungswille hinterließ das Berliner Landgericht mit der mündlichen Urteilsbegründung am 25.11.2013 in dem zu Ende gegangenen Kindstötungsprozess. Unter Verneinung der Voraussetzungen des § 21 StGB ging die Strafkammer von einem minder schweren Fall des Totschlags aus. Die Kammer verhängte eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und folgte somit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. So weit, so gut. Aber der Schuldspruch beruht ausschließlich auf Aussagen, die die Angeklagte in einer Beschuldigtenvernehmung tätigte und die schon bei oberflächlicher Betrachtung einem Verwertungsverbot unterliegen.
Verteidigung beantragte Freispruch und sah Verwertungsverbot
Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt. Gegen die Verwertung der Beschuldigtenvernehmung war Verwertungswiderspruch erhoben worden. Dieser hätte unter Zugrundelegung der konkreten Umstände (Ermüdung) zu einem Verwertungsverbot gem. § 136a StPO führen müssen. Die Angeklagte war zu Beginn der Vernehmung weit über 30 Stunden ohne Schlaf.
Gericht verneint Verwertungsverbot
Das Landgericht verneinte in der mündlichen Urteilsbegründung eine Übermüdung und ein sich daraus ableitendes Beweisverwertungsverbot trotz der langen Schlaflosigkeit u.a. damit, dass sich die Beschuldigte nach Aussagen der Vernehmungsbeamten zu Beginn der Vernehmung in einem "erstaunlich guten Zustand" befunden habe. Auch habe eine Gynäkologin im Vorfeld der Vernehmung im Krankenhaus den Polizeibeamten mitgeteilt, die Angeklagte sei "vernehmungsfähig". Im übrigen habe die Angeklagte in der Vernehmung detaillierte Angaben getätigt, was auf ihre "Vernehmungsfähigkeit" schließen lasse.
Willkürliche Verneinung des Verwertungsverbots
Die Begründung des Landgerichts Berlin zur Verneinung des Verwertungsverbots erscheint willkürlich und ist unter Zugrundelegung der konkreten Umstände schlicht abwegig. Und eben das erweckt den Anschein, das bei dieser Entscheidung Verurteilungswille mitgespielt haben könnte. Denn ein Mensch, der weit über 30 Stunden nicht geschlafen hat, dürfte schon deshalb im Sinne des § 136a StPO übermüdet sein. Wenn wie hier noch zusätzliche Umstände wie extrem hoher Blutverlust und Blutarmut, Erschöpfung durch Geburt, Einnahme von schlaffördernden Medikamenten vor der Vernehmung, hinzutreten, dann liegt es auf der Hand, dass die Entschließungsfreiheit zum Zeitpunkt des Vernehmungsbeginns erheblich beeinträchtigt war. Und das war nicht nur nicht auszuschließen, sondern wegen der konkreten Umstände höchst wahrscheinlich anzunehmen.
Wahrheitsfindung nicht unter allen Umständen
Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte, immer und unter allen Umständen "Wahrheit" zu erforschen. Dem sind, wie sich auch aus § 136a StPO ergibt, gesetzliche Grenzen gesetzt. Die Qualität einer Strafkammer bemisst sich gerade daran, wie konsequent sie auch diejenigen Regeln anwendet, die Wahrheitsfindung begrenzen. Das Urteil wird zur revisonsrechtlichen Überprüfung dem Bundesgerichtshof (BGH) zugehen.
Landgericht Berlin - Totschlag durch Unterlassen
Rechtlicher Hinweis auf Totschlag durch Unterlassen

Das Landgericht Berlin erteilte nun am 9. Verhandlungstag in dem seit Anfang Septemper 2013 verhandelten Kindstötungsprozess einen rechtlichen Hinweis, wonach auch eine Verurteilung wegen Totschlag durch Unterlassen in Betacht käme. Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, ihr Neugeborenes (durch aktives Tun) erstickt zu haben. Sie belastete sich in einer Beschuldigtenvernehmung selbst. Gegen die Verwertung dieser Vernehmung wurde - wie bereits berichtet - am 1. Verhandlungstag Verwertungswiderspruch erhoben. Die Entscheidung darüber vertagte die Strafkammer bis in die Urteilsberatung.
Antrag auf Erteilung eines neuen rechtlichen Hinweises
Der zunächst erteilte rechtliche Hinweis enthielt lediglich Rechtsausführungen und verwies auf § 13 StGB und 212 StGB. Tatsächliche Ausführungen enthielt er nicht. Es blieb unklar, woraus sich ein Totschlag durch Unterlassen ergeben sollte. Dadurch wurde das rechtliche Gehör der Angeklagten verletzt und ihre Verteidigungsrechte beschränkt.
Darauf hin wurde beantragt, einen neuen rechtlichen Hinweis unter Zugrundelegung tatsächlicher Ausführungen zu erteilen. Nach ca. 1 1/2 Stunden Beratung verkündete die Kammer dann einen ergänzenden rechtlichen Hinweis, der Ausführungen enthält, woraus sich der Totschlag durch Unterlassen ergeben soll.
Inzwischen hat das Gericht die Plädoyers entgegengenommen. Die Staatsanwaltschaft sieht kein Verwertungsverbot hinsichtlich der Beschuldigtenvernehmung. Es sei "völlig abwegig" von Ermüdung im Sinne des § 136a StPO bei Vernehmungsbeginn von weit mehr als 30 Stunden ausgehen zu wollen. Sie beantragte unter Zugrundelegung eines minder schweren Falles des Totschlags (213 StGB) 3 Jahre Freiheitsstrafe.
Die Verteidigung beantragte Freispruch und geht davon aus, dass der Verwertungswiderspruch zwingend zu einem Verwertungsverbot zu führen hat. Die Annahme, jemand könnte nach über 30 Stunden Schlaflosigkeit, nach enormen Blutverlust, unter dämpfenden Medikamenten stehend nicht ermüdet und nicht in seiner Entschließungsfreiheit bei der Vernehmung beeinträchtigt sein, ist nicht nur möglich, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Eine Verurteilung wegen Totschlag durch Unterlassen scheidet aus Sicht der Verteidigung ebenfalls aus.
Am Montag, den 25.11.2013, wird das Urteil verkündet.
Verbotene Vernehmungsmethode am Landgericht im Streit

Verwertungsverbot wegen verbotener Vernehmungsmethode?
Es wird heftig am Landgericht Berlin um ein Verwertungsverbot wegen einer verbotenen Vernehmungsmethode gestritten. Wie berichtet, wird derzeit vor der 29. Großen Strafkammer ein Verfahren wegen Totschlag statt. Der Angeklagten wird die Tötung ihres Kindes unmittelbar nach der Geburt vorgeworfen. Nach der Geburt wurde die Mandantin am Krankenbett des Krankenhauses vernommen. Sie belastete sich. In der Hauptverhandlung streitet sie die Tat ab.
Verbotene Vernehmungsmethode wegen Übermüdung
Zu Beginn der Vernehmung war die Mandantin fast 38 Stunden ohne Schlaf. Das führte am ersten Hauptverhandlungstag zu einem Verwertungswiderspruch der Verteidigung wegen Übermüdung gem. § 136a StPO. Der Vorsitzende erklärte unmittelbar nach Verlesung des 17-seitigen Antrags, er sei gerade dabei, ihn zurückzuweisen. Er sehe keine Übermüdung. Im übrigen könne der Antrag derzeit noch nicht gestellt werden, er sei deshalb nicht zulässig. Das Gericht besann sich und verkündete mit Beschluss am nächsten Verhandlungstag, dass verschiedene Zeugen zur Prüfung des im Verwertungswiderspruch enthaltenen Sachverhalts gehört werden. Die Entscheidung über den Antrag bleibt der Urteilsberatung vorbehalten. Inzwischen sind die Zeugen gehört.
Gericht sieht kein Verwertungsverbot wegen Übermüdung
Am 5. Hauptverhandlungstag erklärte die Kammer nun, keine Gründe für ein Verwertungsverbot zu sehen. Es läge keine Übermüdung vor. Zwar habe die Mandantin über 30 Stunden nicht geschlafen. Sie habe sich aber in diesem Zeitraum 2 x über jeweils 30 min. ausruhen und so ihre geistige Leistungsfähigkeit regenerieren können. Über den Verwertungswiderspruch ist noch nicht entschieden.
Strafverteidiger sieht verbotene Vernehmungsmethode und Verwertungsverbot wegen Übermüdung
Meine eigenen Recherchen bei einer Professorin für Neurologie widerlegen nun das sachunkundige (Fehl)urteil der Kammer. Sehr detailliert und nachvollziebar konnte sie mir sachkompetent begreiflich machen, was ich laienhaft schon vorher annahm: dass nach einem Wachzustand von 38 Stunden, einer dabei erfolgten schwierigen Geburt in Becken-Endlage, bei extremen Blutverlust, nach drei Ohnmachten vor der Beschuldigtenvernehmung, bei chronischem Eisenmangel, Gerinnungsanämie und nach Einnahme von schlaffördernden Mitteln vor der Vernehmung eine erheblich beeinträchtigte geistige Leistungsfähigkeit vorgelegen hat. Und das trotz "Ruhephasen".
Antrag der Verteidigung auf Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens
Am 6. Hauptverhandlungstag (26.09.13) habe ich nun die Einholung eine neurologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt (sinngemäß), dass die Mandantin in Folge der Erschöpfung in ihrer Willensentschließung und Willensbetätigung erheblich beeinträchtigt war. Der Antrag ist hier veröffentlicht. Festes Ziel der Verteidigung bleibt es, unter diesen Umständen ein Verwertungsverbot wegen der verbotenen Vernehmungsmethode zu erreichen. Das gilt um so mehr, weil auch der BGH von einem Verwertungsverbot ausgeht, wenn der Beschuldigte 30 Stunden vor der Vernehmung ohne Schlaf gewesen ist. Es bleibt eine verbotene Vernehmungsmethode und nichts anderes!
[nachoben]
Strafverteidiger stellt Totschlag in Frage

Totschlag und Kindstötung?
Wie berichtet, wird derzeit vor der 29. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin ein Verfahren wegen Totschlag statt. Der Angeklagten wird die Tötung ihres Kindes unmittelbar nach der Geburt vorgeworfen. Nach der bisherigen Beweisaufnahme steht fest, dass das Kind lebend geboren wurde, die Atmung einsetzte und nur wenige Minuten danach erstickt ist. Der Mandantin wird vorgeworfen, eine Bettdecke auf das Kind gedrückt und es so erstickt zu haben. Sie streitet die Tat vehement ab.
Recherchen der Verteidigung stellen Totschlag in Frage
Inzwischen weisen intensive Recherchen der Verteidigung ein alternatives Bild für die Todesursache auf. Es liegt nahe, dass das Kind nicht durch Totschlag um`s Leben kam, sondern auf Grund spezifischer Geburtsumstände ohne Fremdverschulden erstickte.
Geburt im präfinalen Zustand mit anschließendem Ersicken statt Totschlag
Es lagen Besonderheiten bei der Geburt vor. Das Kind wurde in Becken-End-Lage geboren. Das ist insofern schon kompliziert, weil das Kind so nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Steiß zuerst geboren wird. Es besteht dann das Risiko der Kompression der Nabelschnur, infolgedessen es zunächst zur erheblichen körperlichen Schwächung und bereits nach 3 bis max. 5 min. definitiv zum Tod des Neugeborenen kommt. Bei der Mandantin verkomplizierte sich die Geburt noch dadurch, dass sie das Kind nicht zuerst mit dem Steiß gebar, sondern mit den Beinen ("Fußvorfall"). Das aber führt unweigerlich zur Kompression der Nabelschnur und zu Sauerstoffunterversorgung des Kindes während des Geburtsvorganges. Eine zusätzliche physiologische Kompression der Nabelschnur erfolgte dadurch, dass die Mandantin an dem schon geborenen Körper des Kindes über längere Zeit zog, um den im Geburtskanal oder Beckenbereich steckengebliebenen Kopf freizubekommen. Als dann auch der Kopf geboren war, befand sich das Kind auf Grund des zuvor eingetretenen Sauerstoffmangels in einem präfinalen Zustand, also nicht mehr überlebensfähig. Körperlich geschwächt war es nur noch zu einer sogenannten "Schnappatmung" über einen kurzen Zeitraum in der Lage und erstickte an Sauerstoffmangel.
Rechtsmedizinische Gutachten korrespondieren mit Recherchen zur Todesursache
Diese "Schnappatmung" korrespondiert auch mit den Feststellungen der Rechtsmedizin. So konnte nei der Obduktion im Magen-Darm-Trakt keine Luft festtgestellt werden.Sie wäre aber festgestellt worden, wenn nach der Geburt eine normale Atmung eingetreten wäre oder das Kind geschrien hätte. Die "Schnappatmung" reichte lediglich zur Belüftung der Lungen aus. Das wiederum korrespondiert mit den Einlassungen der Mandantin, die angab, das Neugeborene habe leblos gewirkt, sich nicht bewegt und nicht geschrien.
Antrag auf Einholung eines Geburtsmedizinischen Sachverständigengutachtens
In Folge der neuen Erkenntnisse wurde in der heutigen Hauptverhandlung ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gestellt (Kurzfassung), dass das Kind in Folge einer Kompression der Nabelschnur und der sich daraus ergebenden Sauerstoffunterversorgung während des Geburtsvorganges in einem präfinalen Zustand zur Welt kam und nach kurzer Schnappatmung ohne Fremdverschulden verstarb. Der Antrag ist hier veröffentlicht.