Die Rüge zum Gerichtsstand als Schutz gegen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs?
Der Weg, um über eine angedrohte Rüge zum Gerichtsstand die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs zu verhindern, mag abwegig klingen und hat dennoch funktioniert. Dieser Weg wurde in einem Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs gewählt. Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus wurde dem Mandanten tatmehrheitlich in 5 selbstständigen Handlungen sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB in verschiedenen Tatalternativen des Abs. 4 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 vorgeworfen. Ausweislich der Anklageschrift sollen die Straftaten über das Internet begangen worden sein. Dabei soll der Mandant die Straftaten in und aus seiner Berliner Wohnung begangen haben. Die Staatsanwaltschaft erhob die Anklage bei einem Amtsgericht im Land Brandenburg.
Die beiden hier relevanten Hauptgerichtsstände sind der des Tatorts (§ 7 Abs. 1 StPO) und der des Wohnsitzes (§ 8 Abs. 1 StPO). In beiden Fällen liegt der Gerichtsstand nicht bei einem Amtsgericht im Land Brandenburg, sondern ausschließlich beim Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Denn zum Einen soll sich der Tatort jeweils in Berlin befunden haben. Zum Anderen soll der Mandant zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im August 2013 seinen festen Wohnsitz gemäß § 8 Abs. 1 StPO in Berlin gehabt haben.
Angedrohte Rüge zum Gerichtsstand verhinderte Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
Zu Beginn der Hauptverhandlung suchte ich um ein „6-Augen-Gespräch“ mit der Staatsanwaltschaft und der Richterin nach. Die zuständige Oberstaatsanwältin lehnte eine von mir angeregte Verfahrenseinstellung gem. §153a StPO kategorisch ab und bot eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung an. Es war wohl erheblicher Verfolgungswille der Staatsanwältin im Spiel, meinen Mandanten unbedingt “hinter Gittern sehen zu wollen”. Schon vor der Hauptverhandlung hatte es Versuche zur Verständigung gegeben, in denen mir eine Oberstaatsanwältin mit deutlich unsachlichen Auftreten begegnete, das eine Totalablehnung gegen vermeintliche Sexualstraftäter erkennen ließ und ihr eine objektive Betrachtung des Falles verbaute. Genau das aber versuchte ich mir für meinen Mandanten bei den „Dealgesprächen“ zu nutze zu machen. Ich kündigte an, den Gerichtsstand zu rügen und Verweisungsantrag an das Amtsgericht Tiergarten in Berlin zu stellen. Den schriftlich vorbereiteten Antrag legte ich vorsorglich auf den Tisch. Hätte ich ihn gestellt, wäre es zur Abgabe des Verfahrens gekommen. Die Staatsanwältin knickte ein und ließ sich nun auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Geldbuße ein. So konnte sie ihre von mir als Rachegelüste erschienene Einstellung ausleben, was ihr bei Verfahrensabgabe nach Berlin nicht möglich gewesen wäre. Für den Mandanten war das die Sicherung seiner Existenz, weil er sonst wegen des Eintrags im Strafregister keine Dienstreisen mehr in die USA hätte unternehmen können.
Und die Lehre aus der Geschichte um den unbedingten Willen zur Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs: Manchmal kann einem Angeklagten ein übersteigerter Verfolgungswille einer Staatsanwaltschaft zu seinem Nutzen gereichen.
1 Kommentar
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Herzlichen Glückwunsch! Nun darf er also, bis zur nächsten Entdeckung, weiterhin seine Machenschaften treiben. Welch ein Segen für die Rechtstaatlichkeit!
Ich wette, die deutliche Mehrheit alle mündigen Bundesbürger, lehnt jedwede Art von Sexualstraftätern, auch wenn sie, wie vorliegend „noch“ nicht verurteilt worden sind, ab. Das mag ja aus Ihrer Sicht möglicherweise zu mangelnder Objektivität führen, ist aber dann mehrheitlich Volkes Wille. Anklageerhebung nur bei hinreichender Aussicht auf eine Verurteilung…
Nehmen Sie für sich in Anspruch, auch bei vermeintlichen Sexualstraftätern, immer objektiv zu bleiben? Wenn ja, warum sprechen sie diesder StA ab?