AfD als Chance für mehr Demokratie in Deutschland

Mehr Demokratie durch die AfD

Die Wahlerfolge der AfD in zunächst 3 Bundesländern sollte als Chance für die Demokratie in Deutschland begriffen werden. Wie das geht? Hier eine Überlegung als Lösungsansatz in Fragestellungen: Könnte es sein, dass die großen Regierungsparteien in Bund und Ländern ihren politischen Aufgaben nicht mehr gerecht werden und das Wahlvolk sich nicht mehr in ihnen wiederfindet? Wäre es nicht an der Zeit, dass die Regierenden vor den Spiegel treten und kritisch prüfen, ob sie das Kind AfD durch eine fehlerhafte Politik selbst mitgezeugt haben? Wäre es nicht sinnvoll, die vielen Mitläufer bei Pegida nicht mehr medial und politisch verbal sowie pauschalisierend zu beschimpfen? Könnten Medien und Politik nicht dazu übergehen, die Menschen stattdessen anzuhören, die Ursachen ihres Handelns und Forderns zu erkunden, um Schlussfolgerungen zu ziehen? Wäre es nicht an der Zeit, sich von oberflächlichen Behauptungen zu verabschieden, wonach etwa der Rassismus in Ostdeutschland deshalb verbreitet sei, weil die DDR eine homogene Gesellschaft gewesen und der Umgang mit "Fremden" für sie befremdlich sei? Könnte es stattdessen auch sein, dass 25 Jahre nach der Wiedervereinigung die Ostdeutschen enttäuscht sind von der Gesellschaft, in der sie nun leben? Sollten wir vielleicht alle darüber nachdenken, dass ostdeutsche Biographien und ihr Lebenswerk nicht anerkannt wurden? Könnte die ahistorische Gleichstellung der Hitler-Diktatur mit der der DDR nicht tiefe Wunden hinterlassen haben? Ist es 25 Jahre nach der Wende wirklich normal, dass sämtliche Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, der Forschung, der Justiz, im Gesundheitswesen, in den Medien usw. fast ausschließlich von "Westdeutschen" eingenommen werden? Ist die Zweiteilung zwischen "Ossis" und "Wessis" objektiv überwunden? Ist die repräsentative Demokratie vielleicht längst reformbedürftig, weil regelmäßig nach dem Wahlversprechen und der Wahl der Wahlversprechensbruch kommt und die Gewählten die Wähler nicht mehr repräsentieren? Sollten Politiker wie Gabriel es nicht doch unterlassen, Menschen als "Pack" zu beschimpfen? Könnte es sein, dass sich die CDU in Sachsen ähnlich wie früher die SED in der DDR als "staatstragende Partei" versteht und so der Demokratie entgegensteht? Könnte das eine der Ursachen sein, warum Pegida gerade deshalb und gerade in Sachsen so stark ist? Meinen Regierende wirklich, dass das Volk nicht mitbekommt, wenn Arbeitslosenstatistiken gefälscht werden, in dem bestimmte Kategorien der Erfassung geändert werden und so eine viel geringere Arbeitslosigkeit vorgegaukelt wird? Ein gering Verdienender, der zudem "aufstocken" muss, ist nicht arbeitslos? Ist die Würde des Menschen nicht angetastet, wenn Millionen ohne Arbeit sind, selbst wenn es "nur" 3 Millionen wie behauptet sind? Haben wir Volksvertreter in die Parlamente gewählt, damit sie Spielchen spielen statt Gesellschaft gestalten: etwa wenn die Linke ein Gesetz zum Mindestlohn einbringt, dass die Koalition dann ablehnt und selbst ein solches Gesetz einbringt und es durchwinkt? Wäre es nicht längst an der Zeit, dass sich die demokratischen Parteien von CDU bis Linke an einen Tisch setzten, um gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit mobil zu machen? Muss deshalb die unterschiedliche politische Ausrichtung leiden oder wird Unterschied auch durch Gemeinsamkeit erzeugt und gebraucht? Sollte vielleicht Schluss sein damit, Kritik der einen Partei an der anderen vom Tisch zu wischen und statt dessen dazu übergegangen werden, mit Nachdenken über die Kritik des anderen respektvoll umzugehen? Regiert die Regierung nicht vielleicht und längst über die Köpfe des Volkes hinweg? Haben sie darin Honecker schon erreicht oder ihn schon überflügelt? Ist der Glaube an die Gerechtigkeit der Justiz nicht mindestens beschädigt, wenn gegen die Politiker Wowereit und Platzeck keine Strafverfahren  nwegen ihrer vermeintlichen Pflichtverletzungen und der Veruntreuung von Millionenbeträgen als Aufsichtsratsvorsitzende des BER eingeleitet werden? Meint jemand, das Volk wüsste nicht, dass das Urteil gegen Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ein politisches Urteil war, das hinsichtlich der Strafzumessung entgegen der üblichen Rechtsprechung viel zu gering ausfiel? Könnte es sein, dass Deutschland in der Außenpolitik der Bespitzelung durch andere Staaten wie die USA deshalb nicht entgegentritt, weil Deutschland mit ihnen gemeinsam das Volk bespitzelt? Was sagt es uns, wenn ein hoher Lebenszeitbeamter im Dienstzimmer seines Bundesministeriums die Fotos von Bismarck, Merkel und Seehofer stehen hat? Könnte es sein, dass im Hinblick auf die Kriegsflüchtlinge die CSU ein Ableger der AfD oder die AfD ein Ableger der CSU ist? Macht die Kanzlerin die AfD nicht dadurch stark, dass sie in der Flüchtlingspolitik offene Arme predigt, aber keine Wege anbietet, wie wir Menschen integrieren können? Wäre es nicht doch besser, Milliardenbeträge in Deutschland bereitzustellen, um die Integration zu beginnen, den Deutschen auch dadurch die falsche Angst vor den "Fremden" zu nehmen und so der AfD den Nährboden zu entziehen? Warum scharrt die Kanzlerin nicht die Millionen von uns allen und parteiübergreifend zusammen, um den Weg der Integration zu eröffnen? Wäre das nicht doch der bessere Weg, statt die Türkei als Schutzwall für Europa aufzumunitionieren? Sollte die Kanzlerin nicht doch der CDU den Rücken kehren, die mit vielen ihrer großen und kleinen Könige in Bund und Ländern einer Öffnung Deutschlands entgegenarbeitet?

Die Chance zu mehr Demokratie

Die Wahlerfolge der AfD sind es, die uns zu solchen Fragen veranlassen müssen. Wenn wir sie beantworten und den Antworten Taten folgen lassen, werden wir nicht nur die AfD los. Auch ist das die Chance, unsere reformbedürftige  Gesellschaft zu reformieren. Immer mit dem Ziel vor den Augen, Freiheit zu erhalten, Demokratie auszubauen, die Gesellschaft zu reformieren, Rassismus und Antisemitismus zu überwinden. Ein Ruck muss durch uns alle gehen, dann geht's!


Computer analysiert Beweismittel der Strafverfahrensakten

Rechtsanwalt, Strafrecht, Strafverfahrensakten, Strafrecht, Ermittlungsakten
Rechtsanwalt Oliver Marson

Traditonelles Aktenstudium umfangreicher Strafverfahrensakten

Welcher Strafverteidiger kennt das Problem der Bearbeitung umfangreicher Strafverfahrensakten nicht. Sie bestehen aus tausenden Seiten, Dutzende Bände Strafverfahrensakten stehen zum Aktenstudium an. Da gibt es dann z.B. 35 Zeugenvernehmungen zum vermeintlichen Kerngeschehen, keine unter 25 Seiten. Und dann noch die Vernehmungsprotokolle mit den Zeugen vom Hören-Sagen, auch noch mal 15 Vernehmungen und keine unter 10 Seiten. Dann vielleicht noch Ermittlungsergebnisse zum Tatvorgeschehen und Tatnachgeschehen. Und die Beweismittelordner sind befüllt mit Berichten der Spurensicherung, zu allem Überfluss gibt es dann noch mehrer Gutachten, keines unter 100 Seiten. Tagelang, manchmal über Wochen dauert es, bevor die Akten gelesen sind. Wenn dann noch keine Systematik in den Akten ist, dauert die Suche länger. Aufwendig ist es in solchen Fällen, Widersprüche und Lücken in den Vernehmungen aufzuspüren, herauszuschreiben, gegenüber zu stellen. Und die Gefahr, dabei wesentliche Details zu übersehen, ist immer gegeben.

Computergestützte Aufarbeitung der Strafverfahrensakten

Die professionelle Kriminalitätsanalyse arbeitet deshalb seit langem bei komplizierten und/oder umfangreichen Ermittlungen mit computergestützten Analyseverfahren, die es erlauben, die relevanten Daten zu Akteuren (Netzwerkanalyse) in ihrer zeitlichen und räumlichen/geographischen Verteilung zu erfassen und auch dann noch unter Kontrolle zu halten, wenn widersprüchliche Informationen zum Beispiel durch sich widersprechende Zeugenaussagen oder lückenhafte und einseitige Ermittlungsergebnisse vorliegen.

Strafverteidiger lässt  Strafverfahrensakten durch Analysten durchforsten

Deshalb arbeite ich seit geraumer Zeit und in entsprechenden Fällen mit dem ausgewiesenen Kriminalitätsanalysten Dr. Uwe Ewald (Kriminologe und Jurist) desInternational Justice Analysis Forum (IJAF) zusammen. Er und sein Team sind als Experten von IJAF auf die computergestützte Inhaltsanalyse im Rahmen von Ermittlungsverfahren bis zu einer Größenordnung, wie sie etwa bei Kriegsverbrechen zum Beispiel an Internationalen Strafgerichtshöfen oder grenzüberschreitenden Netzwerken organisierter Kriminalität auftreten, spezialisiert. Aber gerade auch Fälle, in denen eine Vielzahl von Zeugenaussagen auf die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit zu überprüfen sind, ist eine solche Analyse der Strafverfahrensakten sinnvoll. Denn die Qualität der Arbeit ist höher als bei der traditionellen Arbeitsweise. Hinzu kommt, dass sehr effizient und zeitsparend gearbeitet werden kann.

Nähere Informationen zu diesem Thema finden sich auch auf dieser Seite. Es ist beabsichtigt, dort in naher Zukunft auf entsprechenden Unterseiten an praktischen Beispielen den Anwendungsbereich und die Vorteile dieser Methode zu präsentieren und zu näher zu bringen


Wirklich sexueller Missbrauch?

Rechtsanwalt, sexuller Missbrauch, Ausschluss der Öffentlichkeit
Rechtsanwalt Oliver Marson

Anklage geht von schwerem sexuellen Missbrauch aus

Meinem Mandanten wird sexueller Missbrauch von Kindern in mehreren Fällen vorgeworfen (§176 StGB). Teilweise in der Alternative des schweren Falles. Prozessauftakt ist heute,  der 02. März 2016, an einem Amtsgericht in Brandenburg. Mehrere ca. zehnjährige Kinder berichteten im Rahmen ihrer Zeugenvernehmungen von sexuellen Übergriffen. Mein Mandant bestreitet die Tatvorwürfe vehement. Und tatsächlich ist nach meiner Einschätzung die Beweislage schwierig. Letztlich wird sich alles auf die immer wieder komplizierte Glaubwürdigkeitsprüfung fokussieren. Außenstehende Zeugen solcher Übergriffe oder etwa objektive Beweismittel sind nicht existent. Glaubwürdigkeitsgutachten wurden von der Staatsanwaltschaft nicht in Auftrag gegeben. Bild-Ton-Aufzeichnungen gem. § 58a StPO wurden von den kindlichen Zeugenvernehmungen nicht gefertigt. Die Entstehungsgeschichte der Aussagen ist den Ermittlungsakten nicht wirklich zu entnehmen. All das und manches mehr, was hier nicht erwähnt wird, wirft Zweifel an den Tatvorwürfen auf. Jedenfalls aus Sicht der Verteidigung.  Und der Mandant wird den Prozess nicht schweigend und passiv über sich ergehen lassen. So wird heute zunächst eine mit Hilfe des Strafverteidigers gefertigte, umfangreiche schriftliche Einlassung des Mandanten  verlesen. Anschließend wird er sich dem Kreuzverhör stellen. Der Mandant strebt einen Freispruch an.

Ausschluss der Öffentlichkeit

Zum Prozessauftakt heute wird beantragt werden, die Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und außerdem während der Einlassungen meines Mandanten, sowie während des Kreuzverhörs auszuschließen. Grundlage dafür ist § 171b GVG. Es werden Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich meines Mandanten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen des Mandanten verletzen würden. Damit werden auch die Journalisten leben müssen, die den Prozess begleiten wollen und wohl nicht in dem Umfange begleiten können. Die öffentlichen Interessen stehen den persönlichen Interessen eines Prozessbeteiligten in einem solchen Fall nach. Das mag vielleicht die Zeitung mit dem wenigen Text und den großen BILD(ern) nicht verstehen, die seriösen Medien aber bestimmt. Jedenfalls dann, wenn sie nicht die Sensationslust in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellen wollen.


Opfer einer Vergewaltigung nach KO Tropfen

Rechtsanwalt, Opfer, Vergewaltigung, Nebenklage, Sexualstraftat
Rechtsanwalt Oliver Marson

Opfer nach KO Tropfen vergewaltigt

Das Landgericht Itzehoe verhandelt ab Montag, dem 29. Februar 2016, Fälle zweier Opfer, denen der Angeklagte mehrfach übel mitgespielt hat. Der Mann hatte es offensichtlich darauf angelegt Frauenbekanntschaften zu machen, ihr uneingeschränktes Vertrauen zu erreichen und ihnen dann "ernsthafte Absichten" vorgegaukelt. Ob er tatsächlich so wohlhabend war wie er den Opfer Frauen verklickerte, lässt sich vielleicht in der Hauptverhandlung klären. Jedenfalls war die Gaukelei verbunden mit so mancher Reise und Besichtigungen seiner(?) Immobilien hier und da. Und die Frauen hatten Vertrauen. Warum auch nicht: so nahm er Er eine der Frauen  mit in den Kollegenkreis als an Weihnachten gefeiert wurde. Wie sollte da ungeahntes geahnt werden können.

KO Tropfen in Getränken verabreicht

Die Opfer verbrachten teilweise schöne Zeiten mit dem Täter. Jedenfalls soweit sie sich erinnern können. Denn manchmal gab es Erinnerungslücken am Morgen, an dem der Vorabend und die Nacht im Hotel irgendwie weg waren. Die Erinnerung endete dann regelmäßig bei einem Schluck aus einem Absacker etwa an der Hotelbar. Ein Wunder für die Frauen, aber kein Wunder, wenn man KO Tropfen verabreicht bekommt. Sie führen zu einem sofortigen Zusammenbruch und in einen tiefen Schlaf. Wie das Teufelszeug gebraut wird lasse ich hier weg.

Opfer wurden vergewaltigt

Der Angeklagte hatte diesen Zustand herbeigeführt, um sich an den Frauen zu vergehen. Schwere Vergewaltigung nennt man das und auch gefährliche Körperverletzung. Nun verhandelt die Fälle das Landgericht Itzehoe. Soweit die Anklage von versutem Totschlag ausgegangenan ist, war das dem Umstand zuzuschreiben, dass eines der Opfer so viel Gift verabreicht bekommen hatte, dass Lebensgefahr eingetreten war. Soweit geht das Landgericht nicht. Der Eröffnungsbeschluss  geht von schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung aus. Zunächst sind 9 Hauptverhandlungstage anberaumt worden.

Opfer werden schwache Zeugen sein

Nun lässt sich nicht verhehlen, dass die Frauen im Zustand der Bewusstlosigkeit kaum die an ihnen begangenen Verbrechen bezeugen können. Nur hatte der Täter seine Übergriffe gefilmt. Und das dürfte dann wohl schon von besonderem Beweiswert sein.


Zweite Revision gegen Urteil wegen Tod eines Neugeborenen

Revision, Strafrecht, totschlag, fährlässige Tötung, Rechtsanwalt, Kindstötung
Rechtsanwalt Oliver Marson

Mit der Revision nochmals zum BGH

Und nochmals geht es in die Revision zum 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. Gegenstand des Verfahrens ist der Erstickungstod eines Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt im Dezember 2012.

Die 1. I. Instanz erkannte auf Totschlag

Erst erkannte die 29. große Strafkammer des Landgerichts Berlin auf Totschlag und verurteilte meine Mandantin im November 2013 zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Ich berichtete

Erste Revision wegen Verstoß gegen das Verwertungsverbot

Die dagegen gerichtete erste Revision war erfolgreich. Das Urteil hob der BGH  im Oktober 2014 mit den Feststellungen auf, weil es unter Verstoß gegen das absolute Verwertungsverbot des §136a Abs. 3 Satz 2 StPO ein mit verbotenen Vernehmungsmethoden erlangtes "Geständnis" meiner Mandantin verwendete. Der Beschluss des BGH ist hier nachzulesen.

Die zweite I. Instanz erkannte auf fahrlässige Tötung

Im November 2015 fällte die 40. große Strafkammer des Landgerichts Berlin nach neuerlicher Hauptverhandlung das Urteil. Die Mandantin wurde nun wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung verurteilt. Auch dazu findet sich hier ein Beitrag.

Der Sachverhalt nach dem aktuellen Urteil

Die Mandantin hatte mit niemandem über die Schwangerschaft gesprochen. Sie hatte im Dezember 2012 noch nicht mit der von ihr verdrängten Geburt gerechnet und war deshalb vom Einsetzten des Geburtsvorganges mitten in der Nacht überrascht. Sie gebar das Kind in der elterlichen Wohnung. Die Eltern schliefen im Nachbarzimmer. Hilfe holte die Mandantin nicht. Unmittelbar nach der Geburt fiel sie in Ohnmacht. Die Beine kamen auf dem mit dem Gesicht nach unten liegenden Kind zum Erliegen, so dass die Atemwege blockiert wurden und das Kind wenige Minuten nach der Geburt erstickte.

Die Rechtsauffassung des Landgerichts

Mit der im Urteil enthaltenen Rechtsmeinung stellt sich das Landgericht Berlin gegen die bisherige Rechtsprechung des  BGH. Der BGH sah bisher nicht grundsätzlich eine Pflicht der Gebärenden, einen Geburtshelfer, eine Hebamme, einen Arzt oder sonstige Dritte zur Geburt heranzuziehen. Anders nun das Landgericht Berlin. Es postuliert eine solche Pflicht grundsätzlich. Begründet wird das damit, das jede Geburt ein naturgegebenes Risiko für Leib und Leben des Kindes in sich bürge. Die Mandantin war Erstgebärende und hatte keine Erfahrungen. Sie habe sich vor der Geburt nicht kundig gemacht, wie ein Geburtsvorgang verlaufe und was zu beachten sei. Sie habe an keiner Vorsorgeuntersuchung teilgenommen und keinen Gynäkologen aufgesucht. Hätte sie die im Nachbarzimmer schlafenden Eltern zur Geburt herbeigerufen, so hätten diese die gefährliche Lage des Kindes erkannt und es durch einfaches Hochheben daraus befreit, so dass dann der Erstickungstod vermieden worden wäre. Die weitergehende Urteilsbegründung findet sich hier.

Die zweite Revision mit dem Ziel des Freispruchs

Dagegen hat meine Mandantin Revision einlegen lassen. Sie verfolgt ihr Ziel eines Freispruchs weiter. Auch die Staatsanwaltschaft ist diesmal in Revision gegangen. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren gefordert. Nicht jedoch wegen fahrlässiger Tötung. Sie geht von Totschlag durch Unterlassen aus.

Nach einhelliger Rechtsprechung des BGH begründet erst die Geburt des Kindes die Garantenstellung einer Mutter. Erst dann entsteht die Fürsorgepflicht. Das Landgericht vorverlagert diese Fürsorgepflicht nun in die Zeit des "ungeborenen Lebens". Ungeachtet der Tatsache, dass die Schwangerschaft unauffällig und die Geburt normal verlief, gab es auch insofern keinen Grund für die werdende Mutter anzunehmen, die Geburt ohne fremde Hilfe könnte zu Gesundheitsschäden oder sogar zum Tod des Kindes führen. Hinzu kommt, dass die Mandantin unmittelbar nach der Geburt in Ohnmacht fiel, schuld- und handlungsunfähig war. Sie konnte daher die gefährliche Lage des Neugeborenen nicht erkennen und auch die Eltern nicht herbeirufen. Nach den Feststellungen des Gerichtsmediziners verstarb das Kind in nur wenigen Minuten. Aus hiesiger Sicht ein Unglücksfall, für den meine Mandantin entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist.

 

 

 


Verfahrenseinstellung mit Urteil bei Vergewaltigung

Rechtsanwalt Berlin: Verfahrenseinstellung mit Urteil bei Sexualstraftat
Rechtsanwalt Oliver Marson

Urteil erkennt auf Verfahrenseinstellung

Am 17.11.2015 ging ein Verfahren gegen einen Mandanten am Amtsgericht Dannenberg mi einer Verfahrenseinstellung per Urteil zu Ende. Das Verfahren musste auf Antrag der Verteidigung eingestellt werden. Grund war die mangelhafte Anklageschrift, die nicht den Anforderungen des § 200 StPO gerecht wurde. Ich berichtete bereits hier darüber.

Mangelhafte Anklage als Grund für die Verfahrenseinstellung

Mit der Anklageschrift wurden meinem Mandanten tatmehrheitlich zwei Vergewaltigungen vorgeworfen. Dabei soll das vermeintliche Opfer dem vermeintlichen Täter im Sinne des  § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB "schutzlos ausgeliefert" gewesen sein. Die beiden Tathandlungen sollen sich jeweils in zwei Hotels unterschiedlicher Städte ereignet haben. Die Städte wurden in der Anklage namentlich benannt, nicht aber die Hotels. Das Tatbestandsmerkmal der Schutzlosigkeit wurde im Anklagesatz nicht einmal erwähnt. Folglich ließ die Anklage offen, worin konkret die Situation bestanden haben soll, aus der sich ein "schutzloses ausgeliefert sein" ergeben haben soll. Auch an der Benennung des konkreten Tatzeitpunkts litt die Anklage Not. So wurde zwar jeweils der Tag und der Monat der angeblichen Vergewaltigungen benannt, nicht aber das Jahr. Ein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthielt die Anklage nicht. Es konnte somit nicht zur Auslegung herangezogen werden.

Antrag auf Nichtzulassung der Anklageverlesung

Folglich stellte ich zu Beginn der Hauptverhandlung den Antrag, die Verlesung der Anklage nicht zuzulassen. Außerdem wurde die Verfahrenseinstellung mit Prozessurteil gem. § 260 Abs. 3 StPO beantragt. Ich begründete die Anträge mit den vorgenannten Mängeln. Die Anklage wurde den Anforderungen des § 200 StPO  hinsichtlich der Umgrenzungsfunktion nicht gerecht. Folglich bestand ein  Prozesshindernis.

Verfahrenseinstellung mit Prozessurteil

Es erging dann wie von der Verteidigung beantragt das Prozessurteil. Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Argumentation aus dem Antrag der Verteidigung herangezogen. Der Antrag ist hier nachzulesen. Das Prozessurteil ist nun rechtskräftig geworden. Bei Interesse kann es hier eingesehen werden.

Kammergericht Berlin hob Urteil wegen Unwirksamkeit der Anklage auf

Erst im November 2019 hob das KG Berlin auf meine Revision ein Urteil u.a. deshalb auf, weil die Anklage der Umgrenzungsfunktion nicht genügte und deshalb nicht den Anforderingen des § 200 StPO entsprach. Anklage und Eröffnungsbeschluss waren deshalb unwirksam. Das Kammergericht setzte sich in seinem Beschluss mit den grundsätzlichen Voraussetzungen an eine ordnungsgemäß erhobene Anlklage auseinander. Dazu finden Sie hier einen Beitrag.

 


4,5 kg Crystal Meth sind kein Automatismus für hohe Strafe

Rechtsanwalt Berlin: Crystal Meth - Handel mit Betäubungsmitteln
Rechtsanwalt Oliver Marson

Handel mit Betäubungsmitteln Crystal Meth und Ecstasy

In einem Strafverfahren  wegen des Handels mit 4,5 kg Chrystal Meth  und mit Ecstasy sprach das Berliner Landgericht am 09.12.2015 sein Urteil gegen zwei Mandanten: 5 Jahre  und 3 Monate Freiheitsstrafe. Der Verfall wurde in Höhe von 14.800 €, der erweiterte Verfall in Höhe von ca. 450.000 € angeordnet. Die beiden Angeklagten wurden von der Haft verschont. Damit schloss sich das Gericht weitestgehend den Anträgen der Strafverteidiger an und blieb weit unter den Anträgen der  Staatsanwaltschaft. Sie hatte 8 Jahre Freiheitsstrafe gefordert und sich gegen die Haftverschonung ausgesprochen. Ursprünglich war Gegenstand der Anklage auch der Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG).

Verteidigungsstrategie der Mandanten trug zu maßvollem Urteil bei

Den Handel mit Crystal Meth und Ecstasy hatten die Angeklagten eingeräumt. Insbesondere sprach für sie, dass die 4,5 kg Crystal Meth beschlagnahmt wurden.

Daher kam die Droge nicht in den Handel und konnte niemanden schädigen. Auch ansonsten zeigten sich die beiden älteren, nicht vorbestraften Mandanten von einer Seite, die in vergleichbaren Verfahren ihresgleichen sucht.

Offenbarung der Erlöse aus Verkauf von Crystal Meth

So offenbarten die beiden Angeklagten schonungslos, was sie aus dem Verkauf des Chrystal Meth und des Ecstasy erlangten. Dabei offenbarten sie mehr als den Ermittlungsbehörden bereits bekannt war.  Ihr Handel umfasste daneben aber auch den Verkauf verschiedenster potenzsteigernder Mittel und somit Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz. Insoweit wurde § 154 a StPO angewendet.

Kein erweiterter Verfall bei Verstößen gegen das AMG

Das Arzneimittelgesetz enthält den von § 73 d StGB geforderten Verweis auf diese Norm für die hier relevanten rezeptpflichtigen Arzneimittel nicht. Damit scheidet die Anordnung des erweiterten Verfalls insoweit aus. Da die Angeklagten selbst nur schätzen konnten, was sie aus dem Handel nach BtMG und nach AMG erlangten, basiert die Verfallsanordnung des Landgerichts auf diesen Schätzungen. Die Forderung der Staatsanwaltschaft, den Betrag für den Verfall um ca. 200.000 € höher anzuordnen, musste unter diesen Bedingungen scheitern.

Novum bei Berücksichtigung der Härteklausel

Das Landgericht Berlin folgte auch der Anregung der Rechtsanwälte, von der Verfallsanordnung die gemeinsame Eigentumswohnung der Mandanten, die Rente und Invaliditätsrente auszunehmen. Das ist insoweit ein Novum in der Rechtsprechung. Gesetzliche Grundlage ist dabei § 73c StGB. Die Staatsanwaltschaft hat Revision gegen das Urteil angekündigt. Es bleibt spannend.

 


Vergewaltigung - Verfahrenseinstellung mit Prozessurteil

Einstellung des Strafverfahrens wegen Vergewaltigung mit Prozessurteil
Rechtsanwalt Oliver Marson

Strafverfahren mit Prozessurteil eingestellt

Am 17.11.2015 ging ein Verfahren gegen einen Mandanten am Amtsgericht Dannenberg mit einem Prozessurteil zu Ende. Das Verfahren musste auf Antrag der Verteidigung eingestellt werden. Grund war die mangelhafte Anklageschrift, die nicht den Anforderungen des § 200 StPO gerecht wurde.

Mangelhafte Anklage als Grund für das Prozessurteil

Mit der Anklageschrift wurden meinem Mandanten tatmehrheitlich zwei Vergewaltigungen vorgeworfen. Dabei soll das vermeintliche Opfer dem vermeintlichen Täter im Sinne des  § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB "schutzlos ausgeliefert" gewesen sein. Die beiden Tathandlungen sollen sich jeweils in zwei Hotels unterschiedlicher Städte ereignet haben. Die Städte wurden in der Anklage namentlich benannt, nicht aber die Hotels. Das Tatbestandsmerkmal der Schutzlosigkeit wurde im Anklagesatz nicht einmal erwähnt. Folglich ließ die Anklage offen, worin konkret die Situation bestanden haben soll, aus der sich ein "schutzloses ausgeliefert sein" ergeben haben soll. Auch an der Benennung des konkreten Tatzeitpunkts litt die Anklage Not. So wurde zwar jeweils der Tag und der Monat der angeblichen Vergewaltigungen benannt, nicht aber das Jahr.

Antrag auf Nichtzulassung der Anklageverlesung

Folglich stellte ich zu Beginn der Hauptverhandlung den Antrag, die Verlesung der Anklage nicht zuzulassen und das Strafverfahren gegen meinen Mandanten mit Prozessurteil gem. § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Ich begründete die Anträge mit den vorgenannten Mängeln. Die Anklage wurde den Anforderungen des § 200 StPO  hinsichtlich der Umgrenzungsfunktion nicht gerecht. Folglich bestand ein  Prozesshindernis.

Einstellung des Verfahrens mit Prozessurteil

Das Gericht zog sich zur Beratung für 10 Minten zurück. Es dauerte dann doch eine Stunde, ehe die Hauptverhandlung fortgesetzt wurde. Es erging dann wie von der Verteidigung beantragt das Prozessurteil. Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Argumentation aus dem Antrag der Verteidigung herangezogen. Der Antrag ist hier nachzulesen. Das Prozessurteil wird nach Zustellung und Rechtskraft veröffentlicht. Ich bitte um etwas Geduld.


Haftbefehl aufgehoben - Beschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen

Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Aufhebung Haftbefehl scheitert am Kammergericht
Rechtsanwalt Oliver Marson

Kammergericht verwirft Beschwerde

Mit ihrer Beschwerde gegen die Aufhebung eines Haftbefehls gegen meinen Mandanten scheiterte die Staatsanwaltschaft vor dem Kammergericht Berlin. Nachdem der BGH auf die Revision ein Urteil aufhob beantragte ich Haftprüfung.  In der mündlichen Verhandlung wurde sodann die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Die erbitterten Angriffe der Staatsanwaltschaft während der mündlichen Haftprüfung, die teilweise unsachlich waren und abfällige Anmerkungen über meinen Mandanten beinhalteten, nutzten nichts. Das Landgericht Berlin folgte meinem Antrag und hob den Haftbefehl auf. Über den Fall und über das Revisionsverfahren vor dem BGH berichtete ich bereits hier.

Beschluss des Kammergerichts Berlin zur Beschwerde

Die gegen die Aufhebung des Haftbefehls gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos. In dem Beschluss des Kammergerichts wird unter Bezugnahme auf den BGH-Beschluss ausgeführt, dass hinsichtlich der (aufgehobenen) Verurteilung wegen Vestoss gegen die Führungsaufsicht kein dringender Tatverdacht besteht. Hinsichtlich der (aufgehobenen) Verurteilungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Besitzes kinderpornographischer Schriften geht das Kammergericht Berlin zwar vom Fortbestehen eines dringenden Tatverdachts aus, aber diese Vorwürfe reichen in Anbetracht der durch das Verschlechterungsverbot begrenzten Einzelstrafen nicht aus, die weitere Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Das Verschlechterungsverbot führt zu einer Bindung des Tatgerichts, an das die Sache vom Revisionsgericht zurück verwiesen wurde. Es hat "die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen". Außerdem darf keine Verschlechterung für den Angeklagten bei den Rechtsfolgen (Strafmaß) eintreten. So bestimmt es § 358 StPO. Der auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ergangene Beschluss des Kammergerichts ist hier nachzulesen.

 


Totschlagsprozess mit Teilerfolg beendet

Totschlagsprozess, Fahrlässige Tötung oder Totschlag, Rechtsanwalt
Ihr Strafverteidiger für Tötungsdelikte

Urteil im Totschlagsprozess

In dem Totschlagsprozess um die vermeintliche Kindstötung eines Neugeborenen im Dezember 2012 hat die 40. Strafkammer des Landgerichts Berlin unter dem Vorsitzenden Herrn Schuster meine Mandantin am Dienstag, dem 03. November 2015, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten verhängt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Zeitungen berichteten teilweise über einen Freispruch, aber das ist auf eine nicht korrekte Interpretation zurückzuführen.

Der lange Weg im Totschlagsprozess bis zum 2. Urteil

Zunächst war K. M. (Anfangsbuchstaben geändert) mit Urteil der 29. Strafkammer unter dem Vorsitz des Richters Miczaijka im November 2013 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Wegen eines Verstoßes gegen § 136a StPO hob der BGH im Oktober 2014 das Urteil der 29. Strafkammer auf. Die Tatsacheninstanz hatte rechtsfehlerhaft eine Beschuldigtenvernehmung meiner Mandantin, die nach über 38 Stunden ohne Schlaf zustande kam, als Beweismittel verwertet. Der Verwertungswiderspruch der Verteidigung war missachtet worden. Mit der Vernehmung war K. M. ein "Geständnis" im wahrsten Sinne des Wortes aufgezwungen worden. Der BGH fand in seinem Beschluss  (5 StR 296/14) harsche Worte für das Urteil der 29. Strafkammer, die bei 38 Stunden Schlaflosigkeit keine Übermüdung im Sinne des § 136a StPO gesehen haben will.

Faires Verfahren der 40. Strafkammer

Anders als vor der 29. Strafkammer, in der der Vorsitzende durch sein aggressives, lautstarkes, ignorantes und abweisendes Verhalten gegenüber der Strafverteidigung über alle 15 Hauptverhandlungstage in Erscheinung trat, hatte meine Mandantin vor der 40. Strafkammer ein faires Verfahren. Die neue Strafkammer hatte anders als die erste Kammer keinen Verurteilungswillen.

Feststellungen in der Hauptverhandlung

K. M. ließ sich zu den Geschehnissen in der Nacht, als sie ihr Kind in der elterlichen Wohnung allein gebar, ein: Die Eltern schliefen währenddessen im Nachbarzimmer. K. M. weckte die Eltern nicht. Von der Schwangerschaft hatte sie niemandem berichtet. Das Kind gebar sie in Beinvorlage. Der Kopf kam zuletzt. Es war in dieser Lage eine äußerst schwere und für die Mutter kräftezehrende Geburt. Unmittelbar nach der Geburt fiel K. M. in Ohnmacht. Als sie erwachte lag das Kind unter ihren Beinen. Darüber lag die Daunendecke. Das Neugeborene wirkte leblos und hatte nicht geschrien. In dieser Liegeposition (Kopf in der Couchritze) wurde das Kind später aufgefunden. Auf dem Hinterkopf lag die 730 g schwere Plazenta. Die vollständigen Feststellungen der Beweisaufnahme finden sich hier in meinem Plädoyer.

Der Rechtsmediziner zur Todesursache

Das Kind war lebend geboren worden. Es war jedoch nur wenige Minuten nach der Geburt "unter weicher Bedeckung" erstickt.

Die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung

Die Staatsanwaltschaft plädierte auf Totschlag durch Unterlassen und forderte 2 Jahre Freiheitsstrafe. Die Verteidigung beantragte unter Berufung auf die bisher geltende Rechtssprechung zu § 13 StGB und zu § 222 StGB Freispruch. Die rechtliche Würdigung ist meinem oben verlinkten Plädoyer zu entnehmen.

Kammer begründet Schuldspruch mit von ihr entwickelter Rechtsprechung

Die 40. Strafkammer fand in dem Totschlagsprozess keine Anknüpfungstatsachen für ein aktives Tun, die einen Totschlag mit unbedingtem Tötungsvorsatz hätten begründen können.  Auch ein Totschlag durch Unterlassen (§§ 13, 212 StGB) wurde ausgeschlossen. Für die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB betrat die Kammer Neuland in der Rechtsprechung. Erstmals geht ein Gericht von einer grundsätzlichen Pflicht jeder werdenden Mutter aus, zur Geburt Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Zwar gäbe es keine gesetzliche Pflicht. Aber der Geburtsvorgang selbst stelle immer ein erhöhtes Risiko bei der Geburt eines Kindes dar. Im Rahmen der Fürsorgepflicht habe die werdende Mutter diesem Umstand Rechnung zu tragen und deshalb Hilfe Dritter bei der Geburt in Anspruch zu nehmen. So jedenfalls argumentierte heute die Kammer sinngemäß bei der mündlichen Urteilsbegründung.

Prüfung einer 2. Revision steht aus

Ohne Frage ist das Ergebnis in diesem Totschlagsprozess ein Erfolg für meine Mandantin. Dennoch stellt sich die Frage, ob eine zweite Revision zum BGH sinnvoll ist. Ob man tatsächlich eine so weit ausschweifende Pflicht - wie sie die Strafkammer sieht - annehmen kann, erscheint zweifelhaft. Denn das bedeutet dann den Abschied von einem anlassbezogenen Handeln. Täter kann dann schon derjenige sein, der keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen erkennt und es deshalb unterlässt zu handeln.