Auslieferungsverfahren war das Thema der Arbeitsgruppe 8 auf dem 45. STRAFVERTEIDIGERTAG vom 1.3.-3.3.2024.

Auslieferungsverfahren
AUDIMAX Uni Hamburg

Auslieferungsverfahren und Strafverteidgung: Die Arbeitsgruppe 8 hatte Aktuelles zum Auslieferungsrecht zum Gegenstand. In dieser Arbeitsgemeinschaft wurden vornehmlich praktische Hilfestellungen in der Verteidgung gegen Auslieferungsersuchen und länderspezifische Besonderheiten in U-Haft und Strafhaft angeboten. An dieser Stelle nochmals einen recht herzlichen Dank an den Moderator der AG RA Werning und die Referenten. Das über den gesamten Sonnabend stattfindende Panel war sehr gut strukturiert und sehr informativ. Ein großes Thema, welches sich durch alle Beiträge zog, war immer wieder die anstehende Reform des IRG (Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen) und der aktuelle Meinungsstand zur dringend notwendigen Reform.

Im Ergebnis verabschiedete die Arbeitsgruppe 8 zur Reform des Auslieferungsrechtes forlgende Ergebnisse:

1.

Auch unter Geltung des Grundsatzes, dass auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen, sowie des Völkerrechts in dem um Auslieferung ersuchenden Staates grundsätzlich zu vertrauen ist, sind die zuständigen Gerichte im gerichtlichen Zulässigkeitsverfahren im Vorgriff auf eine Auslieferung verpflichtet (Art. 19 Abs. 4 GG), den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und etwaige Auslieferungshindernisse in hinreichender Weise, also in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu prüfen (BVerfG [K], Beschl. v. 8.12.2021 – 2 BvR 1282/21).

2.

In diesem Rahmen hat zur Prüfung der Einhaltung der unabdingbaren Mindeststandards eine begrenzte Fremdrechts- und Verfahrenskontrolle im ersuchenden Staat zu erfolgen (ggf. auch des Prozessrechts), sobald durch entgegenstehende Tatsachen, etwa die Darlegung systemischer Defizite im Zielstaat, stichhaltige Gründe vorgebracht sind, nach denen im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat diese Mindeststandards nicht beachtet werden.

3.

Diplomatischen Zusicherungen sollten nur dann die Eignung zugesprochen werden, Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Auslieferung auszuräumen, wenn neben den Mindestvoraussetzungen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.2016 – 1 AK 4/16: namentliche Benennung der Haftanstalt; Art. 3 EMRK-konforme und konkret beschriebene Haftbedingungen; Erklärung des Auswärtigen Amtes/Außenministerium bzw. einer von dieser beauftragten Stelle) die Möglichkeit der Überprüfung der Einhaltung der Haftbedingungen durch deutsche Konsularbeamte vor Ort (BVerfG, Beschl. v. 2.2.2016 – 2 BvR 2486/15), von Monitoring-Besuchen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.9.2023 – Ausl 301 AR 105/21), sowie des Besuchs von Ärzten bei Bedarf medizinischer Kontrolle (BVerfG, Beschl. v. 28.7.2016 – 2 BvR 1468/16) zugesichert werden.

4.

In diesem Zusammenhang fordern wir die Festlegung von Fristen durch den Gesetzgeber, innerhalb derer die angeforderten Zusicherungen vorliegen müssen; fehlen sie, ist die Auslieferung zu versagen, jedenfalls aber der Haftbefehl aufzuheben. Zur Stärkung der Rechte des Betroffenen fordern wir zudem, dass eine Haftbeschwerde ermöglicht werden muss, um auch auf diesem Wege eine frühzeitige Trennung von Haftsituation und Auslieferung zu erreichen. Das teils langwierige Auslieferungsverfahren kann auch ohne eine andauernde Inhaftierung weiter betrieben werden. Hierzu sind etwa Möglichkeiten der elektronischen Fußfessel/Hausarrest zu schaffen, wie es in anderen europäischen Ländern üblich ist (etwa in Italien). Die anstehende Reform des IRG sollte insgesamt dazu führen, dass die bestehenden Defizite im Rechtsschutz beseitigt und die Transparenz der Entscheidungen erhöht wird.

(Quelle: Ergebnisse & Thesen des 45. Strafverteidigertages Hamburg, 1. – 3. März 2024)