Meinem Mandanten wird im wesentlichen vorgeworfen, drei Jungen im Alter von neun, acht und fünf Jahren sexuell missbraucht zu haben.
Der Mandant leidet unter Pädophilie. Sie ist naturgegeben und nicht heilbar.
Zum heutigen Prozessauftakt ließ mein Mandant ein umfassendes Geständnis verlesen, das nachfolgend in Auszügen wiedergegeben wird:
“1. Ich räume die Straftatvorwürfe der Staatsanwaltschaft Berlin, die mir mit der Anklageschrift vom 9. Juni 2011 zur Last gelegt werden, in vollem Umfang ein.
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Die sexuellen Übergriffe ereigneten sich während meiner Dienstausübung auf der Kinderintensivstation des … Klinikums Berlin-Buch. Ich war dort als gelernter Kinderkrankenpfleger tätig. Die Kinder waren mir zur Pflege anvertraut worden.
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2. Ich nutze die Gelegenheit, mich öffentlich in diesem Strafprozess gegenüber den Kindern… sowie gegenüber ihren Eltern und Angehörigen für mein Handeln zu entschuldigen. Vor allem wünsche ich den Kindern von ganzem Herzen, dass sie durch meine Missbrauchshandlungen keine dauerhaften Schäden davontragen.
Ich bin über meine Missbrauchshandlungen im höchsten Maße beschämt und bereue sie zutiefst.
Mir war lange schon vor den Taten bewusst, dass ich pädophil veranlagt bin. Damit konnte ich nicht umgehen, diese Neigung belastete mich über Jahre schwer und ich habe keinen Ausweg gesehen. Deshalb unternahm ich nach meiner Festnahme mehrere Selbstmordversuche. Ich wollte mit dieser Belastung nicht mehr leben. Vorher wollte ich mich selbst bestrafen, deshalb trennte ich mir dabei auch meinen Hoden ab. Nur die unerträglichen Schmerzen und der Kraftverlust verhinderten, dass ich nicht auch noch den zweiten abtrennte.
Ich wusste, dass man Menschen wie mir die pädophile Neigung nicht vorwerfen kann. Sie ist naturgegeben und nicht heilbar. Und doch wusste ich um sexualtherapeutische Behandlungsmöglichkeiten.
Für mich gab es damals aber zwei Probleme, weshalb ich dennoch keine Hilfe in Anspruch nahm, bevor es zu spät war:
Es war zum einen die nackte Angst, sich “outen” zu müssen. Aus der Beschäftigung mit der Problemstellung wusste ich, dass viele Menschen kein Verständnis für von Pädophilie Betroffene haben. Ich hatte Angst, meine Akzeptanz unter Kollegen, Freunden und in der Verwandtschaft zu verlieren. Der erst jüngst geschehene Fall in Emden, als die Bevölkerung einen vermeintlichen Täter lynchen wollte und dessen Auslieferung vor einem Polizeirevier forderte, belegt und belebt exemplarisch solche Ängste.
Zum anderen aber war es meine völlige Selbstüberschätzung, in der ich annahm, ich könnte trotz der für mich deutlich spürbaren pädophilen Neigung jederzeit sexuellen Kontakten mit Kindern widerstehen. Eine andere Denkweise passte nicht in die Vorstellung, die ich von mir selbst hatte. Denn meinen Beruf als Kinderkrankenpfleger hatte ich ergriffen, weil ich Kindern helfen wollte, nicht, um ihnen jemals zu schaden. Auch gerade wegen dieser Selbstüberschätzung nahm ich letztlich keine medizinische Hilfe in Anspruch.
Diese Denkweise habe ich aufgegeben. Seit September 2011 nehme ich einmal wöchentlich sexual- und psychotherapeutische Hilfe in einer Einzeltherapie in Anspruch. Mein Ziel ist es, eine Verhaltenskontrolle zu erreichen, damit aus der nicht vorwerfbaren pädophilen Neigung zukünftig keine vorwerfbaren Straftaten werden. Daran arbeite ich konsequent.
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4. Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich nicht versäumen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die mir als Ärzte, Therapeuten und Pfleger nach meinem Selbstmordversuch zur Seite standen und zur Seite stehen, die mich wieder ins Leben zurückgeführt und mir Mut gemacht haben. Ausdrücklich erwähnen möchte ich auch meine …kranke Mutter, die meine Pflege übernommen hat und meinen Großvater, der mich mit dem Auto transportiert, damit ich die Sexualtherapie wahrnehmen kann. Auch meinen Bruder …will ich hier erwähnen. All diese Zuwendung werde ich versuchen zurückzugeben, in dem ich alles dafür tue, dass solche Taten nie wieder geschehen werden. Ich schäme mich meines Verhaltens auch gerade deswegen in besonderer Weise, weil ich mich beruflich der Tradition in der Familie folgend, nämlich der Pflege von Kranken, mit ganzem Herzen gewidmet hatte.
Ich bin mir auch dessen bewusst, dass dieser Strafprozess mit einer Strafe enden wird. Diese Strafe werde ich auch annehmen. Sie wird mir eine Lehre sein und das Ende des Strafprozesses soll für mich der Neubeginn eines besseren Lebens sein.”