
Bei nur geringer Stärke des Tatverdachtes ist eine deutlich über vier Monate hinwegdauernde Auswertung eines Computers ein unzulässiger Eingriff in die Eigentumsrechte des Betroffenen (LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 18. Juli 2025 – 5/15 Qs 30/25).
Sachverhalt
Der Beschuldigte wird verdächtigt, am 27. Februar 2025 während eines Fluges auf seinem Laptop kinderpornographische Inhalte angesehen zu haben. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung wurde am selben Tag ein silberner HP-Laptop sichergestellt. Der Beschuldigte legte Widerspruch gegen die Sicherstellung ein. Das Amtsgericht bestätigte die Maßnahme am 6. Mai 2025. Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Beschuldigten vom 12. Mai 2025.
Entscheidung und Rechtsmittelzulässigkeit
Das LG Frankfurt hob in seinem Beschluss vom 18. Juli 2025 den Sicherstellungsbeschluss des Amtsgerichts auf und ordnete die Herausgabe des Laptops an. Die Beschwerde war nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Im Ergebnis gelangte die Kammer zur Ansicht, dass die Sicherstellung nicht mehr verhältnismäßig war und hob sie auf.
Begründung – Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung und Durchsicht
Zentrales Element der Begründung war eine Abwägung zwischen dem Ermittlungsinteresse und den betroffenen Grundrechten des Beschuldigten, insbesondere dem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Kammer betonte, dass eine Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht (§ 110 Abs. 1 StPO) im Kern eine Durchsuchungsteilmaßnahme darstellt und daher den gleichen Anforderungen an Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit genügen muss wie eine Durchsuchungsanordnung.
Ein wesentliches Argument war die Dauer der Besitzentziehung: Der Laptop war über vier Monate gesichert, ohne dass die Auswertung abgeschlossen war. Das Gericht sah in dieser Verzögerung – die nicht auf einem außergewöhnlichen Datenvolumen beruhte, sondern strukturellen Problemen der Auswertungsstellen zuzuschreiben war – eine Überschreitung dessen, was zur Aufrechterhaltung der Eingriffsmacht noch zu rechtfertigen war. Eine derart lang andauernde Entziehung sei bei nur relativ vager Verdachtslage nicht mehr vertretbar.
Die Kammer relativierte zudem die Einschätzung des Tatverdachts: Er stützte sich im Wesentlichen auf eine Aussage eines alkoholisierten Zeugen, dessen Schilderung hinsichtlich der Dauer und der Art des gesehenen Materials sowie der Lesbarkeit auf Distanz Zweifel aufwarf. Diese Unsicherheiten dienten als Indiz dafür, dass das Ermittlungsinteresse nicht so überwältigend war, dass eine längerfristige Besitzentziehung gerechtfertigt wäre.
Die in Rede stehende Straftat (§ 184b StGB) ist nicht gänzlich trivial, doch das LG sah das Gewicht des Verdachts als relativ gering an angesichts der unsicheren Beweislage und der langen Dauer der Sicherstellung. Die Befürchtung, eine Herausgabe könne die Auswertung erschweren oder eine erneute Rechtswidrigkeit ermöglichen, sah die Kammer als allenfalls einen Nachteil gegenüber dem schwerwiegenden andauernden Eingriff in Eigentumsrechte.
Bedeutung und Rückwirkung
Die Entscheidung stellt einen wichtigen Hinweis zur Obergrenze der Dauer gerechtfertigter Sicherstellungen bei digitalem Beweismaterial dar, insbesondere wenn die Auswertung verzögert erfolgt. Sie verdeutlicht, dass strukturelle Kapazitätsengpässe bei der Staatsanwaltschaft oder Gutachterstellen nicht in jedem Fall eine verlängerte Besitzentziehung rechtfertigen können, sofern der Tatverdacht nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit belastet ist.
Für die Praxis bedeutet der Beschluss, dass Verteidiger frühzeitig auf unverhältnismäßige Sicherstellungen digitaler Geräte hinweisen sollten, und Gerichte sowie Ermittlungsbehörden müssen sich verstärkt um effiziente Auswertungsstrukturen bemühen, um die Rechte Betroffener zu schützen.