Notwendige Verteidigung - Pflichtverteidigung Rechtsanwalt Oliver Marson
Rechtsanwalt Oliver Marson

Notwendige Verteidigung – Pflichtverteidigung

Wann liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 II StPO vor?

Das Kammergericht hat sich hierzu erneut geäußert (Beschluss vom 30.01.2025, 4 ORs 65/24; 4 Ws 101/24-121 SRs 142/24).

Gemäß § 140 Abs. 2 S. 1 StPO ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers für den (nicht verteidigten) Angeklagten dann erforderlich, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen oder der Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der oder die Angeklagte nicht selbst verteidigen kann.

Zu den schwerwiegenden zu erwartenden Rechtsfolgen kann auch der Umstand gehören, dass der Angeklagte gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 a) und b) GmbH-Gesetz im Falle einer Verurteilung für 5 Jahre von der Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeschlossen ist. Dies jedoch nicht per se. Es kommt maßgeblich auf die konkrete Bedeutung des Verfahrens für den Beschuldigten an (OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.09.2021-1Ws386/21). In diesem Fall sind die konkrete Bedeutung und die Auswirkungen für den Beschuldigten im Falle eines beruflichen Ausschlusses als Geschäftsführer, insbesondere die zu erwartenden gravierenden Auswirkungen im Falle einer Verurteilung vorzutragen. Gravierende Auswirkungen wären z.B. wenn der Beschuldigte aktuell zum Zeitpunkt der Anklage Geschäftsführer ist oder in näherer Zukunft beabsichtigt, eine solche Tätigkeit aufzunehmen.

Auch eine schwierige Rechtslage nach der oben zitierten Vorschrift liegt beispielsweise vor, wenn nicht abschließend geklärte Rechtsfragen namentlich aus den Bereichen außerhalb des Kernstrafrechts entscheidungserheblich sind oder wenn die Subsumtion im Einzelfall problematisch ist (KG, Beschluss vom 09.02.2016 – (4) 121 Ss 231/15 (5/16)).

Eine schwierige Sachlage liegt dann nicht vor, wenn der in der Anklage geschilderte Sachverhalt nicht schwierig ist und die genannten Beweismittel überschaubar. Allein dass beispielsweise in einem Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung das Bestehen oder Nichtbestehen einer zum Insolvenzantrag führenden Forderung zwischen dem Angeklagten und dem Gläubiger umstritten ist, rechtfertigt nicht, von einer schwierigen Sachlage auszugehen. Ein Aktenbestand bestehend aus einem Hauptband und einem Ablichtigungband bietet keinen Anhaltspunkt für eine schwierige Sachlage.

Weitere Information zu den Voraussetzungen der Bestellung eines Pflichtverteidigers und notwendige Verteidigung finden Sie auch hier.