
Zum Einzelrennen bei Verbotenem Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 12. Juni 2023 die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des LG Berlin gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen (3 ORs 30/23 – 161 Ss 74/23). Gegenstand war die Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens in der Variante des „Alleinrennens“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Bemerkenswert ist die Feststellung des KG, dass die Tatbestandsverwirklichung nicht an einer tatsächlich nur sehr kurzen Fahrstrecke scheitert, wenn die Absicht bestand, auf einer „nicht ganz unerheblichen“ Wegstrecke die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
Nach den vom Schrifttum und der Praxis aufgegriffenen Entscheidungsgründen genügt es für § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass der Täter mit der erforderlichen Absicht („ausgerichtet auf“) handelt; die tatsächlich zurückgelegte Strecke darf dann auch sehr kurz sein, etwa weil der Täter frühzeitig zum Stillstand kommt – sei es durch Fremdeinwirkung oder Unfall. In dem vom KG bestätigten Fall soll die real gefahrene Strecke nur etwa 20 Meter betragen haben; ausschlaggebend war, dass der Angeklagte nach Überzeugung der Tatrichter die Beschleunigungsfahrt über einen nicht nur unerheblichen Abschnitt fortsetzen wollte und lediglich zufällige Umstände die Fortsetzung verhinderten.
Dogmatisch schärft der Beschluss zwei Linien nach: Erstens liegt der Schwerpunkt der Prüfung bei der „Absicht“, die relativ höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen – bezogen auf Fahrzeug, Verkehrslage, Streckenverlauf sowie Witterungs- und Sichtverhältnisse. Die „nicht ganz unerhebliche Wegstrecke“ ist daher ein prognostischer Zielbezug, kein zwingendes Realisationsmerkmal in der Rückschau. Zweitens betont das KG damit die Abgrenzung zu bloßen „Spontanbeschleunigungen“ ohne fortwirkenden Rennentschluss. Entscheidend sind Indizien: etwa Anfahrts- und Beschleunigungsverhalten, Drehzahl- und Gaspedalstellung (sofern ausgelesen), Kommunikationsverläufe, Mitfahrerangaben und die räumlichen Gegebenheiten der Strecke.
Für die Praxis der Strafverteidigung bedeutet dies: Angriffspunkte liegen vor allem in der subjektiven Seite. Zu prüfen sind Alternativerklärungen (Ausweichreaktion, kurzfristige Fehleinschätzung, fehlender Fortsetzungswille) sowie die konkrete Sicht- und Verkehrssituation. Umgekehrt sollten Staatsanwaltschaft und Tatgerichte die Beweisanzeichen für den auf eine „nicht ganz unerhebliche“ Strecke gerichteten Rennentschluss präzise herausarbeiten und dokumentieren. Die Entscheidung fügt sich in die Tendenz der Obergerichte ein, den Schutzzweck des § 315d StGB – Gefahrenabwehr durch frühzeitige Sanktionierung rennartigen Verhaltens – auch bei kurzzeitiger Realisierung des Fahrmanövers zu gewährleisten.
Fazit: Das KG Berlin bestätigt, dass Einzelrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bereits dann vorliegt, wenn der Täter mit Rennabsicht ansetzt und die Fortsetzung nur zufällig scheitert; die Minimalität der tatsächlich gefahrenen Strecke steht dem nicht entgegen. Die Entscheidung schärft damit den Blick für den Willensentschluss als zentrales Tatbestandsmerkmal.