
Zweifelsgrundsatz als Grundlage des Freispruchs
Nach der Anklage soll mein Mandant den vor 2 Jahren 12 Jahre alten Robert (Name geändert) mit drei selbstständigen Handlungen in dessen Wohnung sexuell missbraucht haben. Das zuständige Amtsgericht Brandenburg an der Havel sprach den Angeklagten im Juni 2015 vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs frei. Über die schwierige Beweislage berichtete ich bereits. Nun liegt auch das schriftliche Urteil vor, das hier veröffentlicht wird.
Der Zweifelsgrundsatz war für das Amtsgericht die Grundlage, meinen Mandanten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Laut der schriftlich vorliegenden Urteilsbegründung stütze sich das Gericht dabei im Kern auf die Aussage der Gutachterin, die – anders noch in ihrem schriftlichen Glaubwürdigkeitsgutachten vor der Hauptverhandlung – nicht mehr davon überzeugt war, dass die Angaben des kindlichen Zeugen Robert erlebnisbezogen sind. So sei nicht auszuschließen, er durch den Druck der Mutter den Angeklagten zu Unrecht belastet habe.
Die Mutter von Robert und und kein Zweifelsgrundsatz
Der Verdacht, dass sich mein Mandant an Robert vergangen hat kam bei der Mutter auf, als sie erfuhr, dass sich Robert recht massiv sexuell an der jüngeren Schwester vergangen hatte. Da gab es für sie offensichtlich nur eine Denkrichtung: das muss er selbst erfahren haben. Und natürlich von dem väterlichen Freund und einzigen Kumpel des Robert, dem Angeklagten, der ihm Ersatzvater geworden war. Die Mutter drangsalierte den Sohn immer wieder mit suggestiven Fragestellungen, bis er einräumte, was die Mutter hören wollte und Robert dadurch meinte, seine Ruhe wiederzufinden. Der Zweifelsgrundsatz scheint der Mutter fremd zu sein. Vielleicht stehen die sexuellen Übergriffe des Sohnes auf die Schwester schlicht im Zusammenhang mit der sich entwickelnden Sexualität des Robert und sind also nicht erlebnisbezogen über den Angeklagten?
Der Zweifelsgrundsatz in der Berufung vor dem Landgericht
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Mutter hat Berufung einlegen lassen. Nun wird sich das Berufungsgericht mit dem Zweifelsgrundsatz herumzuschlagen haben.
Nur Opfer in diesem Strafverfahren?
Wie immer das Verfahren ausgehen mag, genau genommen gibt es nur Opfer. Mag sich jeder seine Begründung dafür denken.
2 Kommentare
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Sicher unbefriedigend für alle.
Aber durch die Fachliteratur geistert ja, dass sexuelle Missbraucher selbst häufig missbraucht wurden. Ob das stimmt oder nicht kann meistens keiner überprüfen, sondern das sind dann die mehr oder weniger glaubhaften oder „nicht widerlegten“ Angaben des Angeklagten.
Dass Laien bei dem – vielleicht, wenn es nicht gerade ums Sorgerecht geht, gut gemeinten – Versuch, etwas herauszufinden, weder mit Vernehmungstechnik noch Aussagepsychologie arbeiten: geschenkt.
Und den Zweifelsgrundsatz versteht auch jeder Rechtsanwalt nicht, der seine Revision damit begründet, dass das Gericht doch wegen in dubio pro reo hätte freisprechen müssen, weil er selbst die Beweislage ganz anderes sieht. oder es doch irgendwie anders hätte sein können.