Zur aktuellen Diskussion um Straferhöhung
Die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in Münster hat eine rechtspolitische Diskussion ausgelöst. Sie wird aufgeregt und aufgeschreckt geführt und erschöpft sich im Wesentlichen in der Forderung nach Strafverschärfung. Die Bundesjustizministerin, die zunächst zurückhaltend mit der Vorlage eines Gesetzesentwurfs mit höheren Strafen war, knickte nun im öffentlichen Gegenwind ein. Es wird eine Strafverschärfung bei Kindesmissbrauch geben. Die öffentlichen Gemüter werden beruhigt sein, in der Sache aber wird es nichts bringen.
Rechtsschutz für Kinder als rechtspolitische Zielsetzung
Die Strafrechtsnorm des Kindesmissbrauchs ist rechtspolitisch auf den Schutz der Kinder gerichtet. Sie soll potentielle Täter von der Tatbegehung abschrecken und so die Kinder und ihre freie, gesunde Entwicklung und sexuelle Selbstbestimmung schützen. Das ist richtig und wichtig.
Auch ohne Strafverschärfung 15 Jahre Freiheitsstrafe möglich
Die pädophil veranlagten Personen wissen, dass sie mit empfindlichen Freiheitsstrafen zu rechnen haben, wenn sie ihre Neigung ausleben. Und dennoch schreckt das manche von ihnen nicht ab, obwohl heute schon ohne Strafverschärfung eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren möglich ist.
Pädophilie als eine der Ursachen für Kindesmissbrauch
Eine nicht unbeträchtliche Anzahl der möglichen und tatsächlichen Täter haben pädophile Neigungen. Diese Sexualpräferenz ist naturgegeben, nicht etwa „antrainiert“ oder „angewöhnt“. Sie begleitet, wie auch die Homosexualität, die jeweiligen Personen ihr Leben lang. Davon ausgehend sollte sich der Staat Gedanken machen, wie er dazu beitragen kann, dass Menschen ihre pädophilen Neigungen nicht ausleben. Und dafür gibt es Wege, die zu beschreiten effektiver als Strafverschärfung sind.
Todesstrafe schreckt den Täter nicht vor Mord zurück
Die Praxis aus hunderten von Jahren lehrt, dass schon die Strafandrohung für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen den möglichen Täter vor Begehung der Tat nur bedingt abschreckt. Aber noch weniger hält die angedrohte Strafhöhe vor der Tatbegehung zurück. Schaut man in die USA, einem Land mit unvorstellbar vielen vorsätzlichen Tötungsdelikten wird schnell klar, dass die angedrohte und auch vollstreckte Todesstrafe nichts bewirkt. Warum sollte also eine Strafverschärfung bei Kindesmissbrauch zu weniger Missbrauchshandlungen führen?
Ausbau von Sexualtherapien statt Strafverschärfung
Es gibt andere Wege, Kinder und Jugendliche zu schützen. Dazu wäre es zwingend erforderlich, bundesweit ein flächendeckendes Netz mit Angeboten für Sexualtherapien zu errichten. Zwar gibt es einige Paradebeispiele, wie etwa die Berliner Charité. Sie bietet pädophil veranlagten Menschen Therapien an, in denen sie erfolgreich erlernen, wie sie trotz der Neigung nicht übergriffig werden. Aber dort werden nur die genommen, die noch nicht vorbestraft sind oder gegen die noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Warum werden gerade die von Therapien ausgeschlossen, die schon straffällig wurden? Nach meiner Kenntnis fehlen Therapieangebote in den Justizvollzugsanstalten gänzlich. Der Staat schickt zwar Verurteilte jahrelang in den Knast, aber lässt die Jahre ohne Therapie verstreichen. Macht das Sinn? Nutzt das den zu schützenden Kindern? Strafverschärfung, gepaart mit politischem Aktionismus und wenig Sachverstand nutzt jedenfalls nichts.