Brandenburger Richter verunglückt am Richtervorbehalt
Mit dem Richtervorbehalt nach § 81 a Abs. 2 StPO (a.F.) ist es so eine Sache, jedenfalls wenn man an einem Gericht in Brandenburg zu verhandeln hat. Nach dem jüngsten Erlebnis am Landgericht Neuruppin sehe ich etwas klarer, warum Rainald Grebe das Lied „Brandenburg“ so und nicht anders textete. Ich hielt das bisher immer für fies, bösartig, ja fast rassistisch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des schönen Bundeslandes mit den vielen Seen, Flüssen, Wäldern und Wölfen. Aber nun denke ich, Grebe hat nur das dortige Leben beschrieben.
Verwertungswiderspruch wegen Verstoß gegen den Richtervorbehalt
Ich hatte die Verteidigung in der Berufungsinstanz wegen einer Trunkenheitsfahrt im Sommer 2016 übernommen. Aus der Akte ergab sich, dass der Mandant bei einer Verkehrskontrolle nach Alkohol gerochen haben soll. Die Polizisten legten dem Mann Handschellen an und verbrachten ihn auf das Revier einer Kleinstadt. Aus einem Protokoll ergab sich, dass ein POK XYZ wegen Gefahr im Verzug die Blutentnahme angeordnet haben soll. Ca. 1 1/2 Stunden nach der Festnahme des Mandanten erschien ein Arzt auf dem Revier, der die Blutentnahme durchführte. Der Maßnahme hatte der Mandant widersprochen. Das Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts bescheinigte 1,66 Promille und somit Fahruntüchtigkeit.
Warum Gefahr im Verzug vorgelegen haben soll, dokumentiert die Akte nicht. Auch ist nicht dokumentiert, dass vor Anordnung durch den Polizeibeamten versucht wurde, den Bereitschaftsrichter zu erreichen und die Zustimmung zur Blutentnahme zu erwirken.
Also erhob ich im Wissen, es besser zu wissen und das Recht auf meiner Seite zu haben, Widerspruch gegen die Verwertung des rechtsmedizinischen Gutachtens. Im Brustton der Überzeugung stützte ich mich auf die einschlägige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und insbesondere des Bundesverfassungsgerichts. Oder, um es sinngemäß mit Grewe zu sagen: es gibt Gerichte, die richtig was anfangen können mit dem Richtervorbehalt. Und es gibt Brandenburgische Gerichte.
Neuruppiner Richter gurkte das Ding an den Gesetzesbaum
Der Verwertungswiderspruch wurde abgeschmettert. Brandenburg bzw. Neuruppin habe nachts keinen Bereitschaftsrichter und keinen Bereitschaftsstaatsanwalt hieß es schlicht in der schlichten Begründung. So einfach ist das. Und so vergurkte ein Neuruppiner Richter den gesetzlich normierten Richtervorbehalt und schuf mit den Wölfen heulend den Polizistenvorbehalt.
Revision wegen Verstoß gegen Richtervorbehalt
Das Landgericht Neuruppin liegt viele Flüsse, Seen und Wälder entfernt vom Bundesverfassungsgericht. Vielleicht war das der Grund, warum der Neuruppiner Richter die einschlägigen Entscheidungen für nicht anwendbar hielt: wir seien hier nicht in Amerika und hätten kein Fallrecht, so der Herr Vorsitzende. Das stimmt zwar, nur sitzt das Bundesverfassungsgericht auch nicht im Trump-Land.
Bis zur Reform der StPO 2017 galt uneingeschränkt, dass ein Richter grundsätzlich zu entscheiden hat, ob eine körperliche Untersuchung erfolgen darf oder nicht. Das klarzustellen bleibt der Revisionsinstanz vorbehalten. Es geht weiter zum OLG Brandenburg. Die Revision kann helfen, taube Richterohren hörend zu machen.
8 Kommentare
Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.
Das ist jetzt vielleicht eine doofe Frage, aber sagt nicht das BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 24.02.2011 – 2 BvR 1596, 2346/10):
„Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Annahme, dass eine fehlende Dokumentation oder das Fehlen eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes kein Beweisverwertungsverbot begründet“
Richtig. Die von Ihnen benannte Entscheidung ist „Schön Wetter Rechtsprechung“, die man auch anders sehen kann und wohl aus rechtsstaatlichen Gründen auch anders sehen muss: 2 BvR 273/06, Beschl. vom 12. Februar 2007; dann BVerfG 2 BvR 308/04; dann OLG Cellevom 6. August 2009, 32 Ss 94/04
Sie haben
http://blog.burhoff.de/2018/03/blutentnahme-nach-altem-recht-gesund-gebetet-nach-neuem-recht-oder-asche-auf-mein-haupt/
Im Blick?
Lieber Kollege Burhoff. Ich hatte das nicht im Blick. Insofern auch bei mir: Asche auf mein Haupt, in dem ein Gehirn gegen solche Rechtsprechung rebelliert. Das wird nicht der letzte Artikel zu dem Thema bleiben. Die haben nämlich gestern nicht wirklich über den Verwetungswiederspruch entschieden. Nur die Verlesung des Gutachtens hielten sie mit dem Beschluss für zulässig. Schauen wir mal, was das Urteil ansonsten noch herzaubert für ein gutes Stück Revisionssteak, medium angebrannt. Danke für Ihren Hinweis.
Wird nicht einfach werden 🙂
Ich weiß. Dennoch: Kopf hoch und nicht die Hände :).
Hallo
Ich bin ein guter Freund von dem XXX um den es hier geht.Er hat schon viel Geld zum Fenster raus gehauhen, für Anwälte die ausser Geld verdienen nichts weiter im Sinn hatten. Ich bin froh, das es noch Anwälte wie Sie mit Rückrad gibt und sich gegen die alten DDR Richter durchsetzen.Ich verstehe nicht, wie man geltenes Recht als studierter Richter einfach ignorieren kann.
Vielleicht sollte man diese Sorte Richter gegen unvoreigene Richter ersetzen.
( Dazu kommt, das der Beschuldigte tatsächlich das Auto nicht gesteuert ht und da, rein meine Meinung viele Falschaussagen der Polizeibeamten im Raum stehen )
Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Ausgang in diesem Verfahren.
MfG U.W.
Sie irren: Das war kein „DDR-Richter“.