Wenn Verurteilte zum Strafantritt ihrer Freiheitsstrafe geladen werden, gab das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) in § 10 dem offenen Vollzug den Vorrang vor dem geschlossenen Vollzug:

So schreibt das Strafvollzugsgesetz in § 10 StVollzG vor, dass ein Gefangener im offenen Vollzug untergebracht wird, wenn keine Befürchtung besteht, dass der Gefangene entweichen oder die besonderen Möglichkeiten missbrauchen würde.

Der offene Vollzug soll nach dem im StVollzG zum Ausdruck kommenden Willen des Bundesgesetzgebers die Regelvollzugsform sein.

Dieser Wille ist aber in vielen Bundesländern auch eher Willensbekundung geblieben. Eine bundesweite justizpolitische Gegenwehr gegen den offenen Vollzug hat Früchte getragen. Hessen ist dabei einer der Vorreiter, das Bundesland schaffte allein zwischen 2002 und 2006 die Hälfte der Gefangenen im offenen Vollzug ab.

Das wiegt um so schwerer, als die Anzahl der Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Vollzugs in der Bundesrepublik insgesamt schon immer wesentlich höher war als die des offenen Vollzugs. Wikipedia nennt dazu konkreteZahlen.

Im Jahre 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übertragen. Sie haben sich nun weitgehend eigene Vollzugsgesetze geschaffen. So etwa Hessen, das den offenen Vollzug weiter geknebelt hat. Denn hier kann offener Vollzug nur dann noch angeordnet werden, wenn – neben den üblichen Sicherheitsvoraussetzungen – die zu verbüßende Freiheitsstrafe nicht über zwei Jahre hinausgeht.

Das bekam ein Mandant von mir zu spüren, der vor ca. 7 Jahren erstmalig straffällig wurde, danach nicht mehr straffällig war und nun eine Freiheitsstrafe von über drei Jahren im geschlossenen Vollzug einer Justizvollzugsanstalt Hessens verbüßen sollte.

Das OLG Frankfurt/Main wies seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit der er den Vollzug im offenen Vollzug ab Strafantritt anstrebte, nun mit der hier nachzulesenden Begründung zurück.

Der Mandant hat in den Jahren nach den Straftaten geheiratet, ist Vater von drei Kindern geworden und geht einer Volltagsbeschäftigung nach. Er ist Hausmann und kümmert sich um die Kinder, während seine Frau als Ärztin im Dreischichtsystem den Familienunterhalt sichert. Er hat sich selbst resozialisiert, es bediurfte dafür nicht des (geschlossenen) Strafvollzugs, die gerade dieses Ziel verfolgen sollte.

Die hier veröffentlichte Entscheidung des OLG Frankfurt/M ist nicht zu beanstanden. Die Richter konnten nicht anders entscheiden, das hessische Landesrecht ließ ihnen keine Möglichkeit zu einer formaljuristischen Entscheidung, die den dahinter stehenden Menschen unbeachtet lassen musste, weil es der Landesgestzgebber so will. Und wenn es nach dem Hessischen Gestzgeber gegangen wäre, weäre eine Familie auseinandergerissen worden.

Ich stelle daher – eher rhetorisch – die Frage in den Raum, ob solche Regelungen wie in Hessen, die offenen Vollzug bei Freiheitsstrafen von über zwei Jahren ohne jede Einzelfallprüfung ausschließen, wünschenswert sein önnen?

Wohl kaum. Die Bundesrepublik kann noch vieles tun, um zu einem liberaleren Strafrecht zu kommen. So wären nach meiner Vorstellung Gesetzesänderungen auch dahingend zeitgemäß, die zB. Bewährung bei Freiheitsstrafen weit über der jetzigen Grenze von zwei Jahren zulassen. In dubio pro Liberta.

Übrigens: der Mandant wird die Freiheitsstrafe nun doch im offenen Vollzug verbüßen. Republikflucht machte es möglich. Umzug aus Hessen nach Berlin. Denn Berlin hat die Möglichkeit des offenen Vollzugs unabhängig von der Höhe der Freiheisstrafe.

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(Beitrag vom 05.10.2012)