
II. I. Instanz am Landgericht Berlin
Ein Kindstötungsprozess am Landgericht Berlin wird seit heute neu verhandelt. Die 29. große Strafkammer hatte unter dem Vorsitzenden Miczaijka meine Mandantin wegen Totschlags ihres Neugeborenen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, das Kind unmittelbar nach der Geburt erstickt zu haben (Neonatizid). Die Verurteilung beruhte ausschließlich auf einem angeblichen Geständnis, das die Kriminalbeamten der Mandantin bei einer nächtlichen Beschuldigtenvernehmung am Krankenbett unter skurrilen Umständen abtrotzten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie über 38 Stunden nicht geschlafen und stand unter dem Einfluss schlaffördernder Medikamente. Sie wurde förmlich drangsaliert bis man das hörte, was man hören wollte. Der am ersten Hauptverhandlungstag auf § 136a StPO gestützte Verwertungswiderspruch der Beschuldigtenvernehmung bzw. der Zeugenaussagen der Vernehmungsbeamten ging ins Leere. Die Strafkammer sah nach 38 Stunden Schlaflosigkeit keine Übermüdung.
Urteilsaufhebung wegen Verstoßes gegen Verwertungsverbot
Die auf die Verletzung des § 136a StPO gestützte Revision hatte Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben. Ich berichtete.
Das Ziel der Verteidigung in der II. I. Instanz
Die Angeklagte strebt weiterhin einen Freispruch an. Dass das Kind unmittelbar nach der Geburt durch Ersticken zu Tode kam wird insoweit nicht streitig sein. Dagegen wird Beweis darüber zu erheben sein, ob eine Fremdeinwirkung – wie von der Staatsanwaltschaft behauptet – nach der Beweislage überhaupt ursächlich sein kann. Alternative Ursachen des Todeseintritts werden Gegenstand der Beweisaufnahme sein.
3 Kommentare
Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.
Ich bin nicht so klug wie Sie, aber Sie haben hier geschrieben, dass das Urteils des Schwurgerichts I Berlin ausschließlich auf dem Geständnis der Kindesmutter beruht. Dann frage ich mich, warum sich der BGH mit der Frage der verminderten Schuldfähigkeit, die nicht eine Prozessvoraussetzung, auseinandergesetzt hat?
LG
Ihre Frage ist berechtigt. Die habe ich mir auch nicht beantworten können, auch die späteren Richter nicht. Hier lag wohl eindeutig der BGH „neben der Spur“.
Wenn das aktuell ist, sollen Sie lieber gar nichts sagen.
LG