Pressemeldung vom 09.09.2010

Im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann geht es einigen Medien keineswegs um reine Berichterstattung, ob er sich einer Vergewaltigung schuldig gemacht hat oder nicht. Hier scheint eine Neue Mediale Justiz Deutschlands Gerichts- und Rechtssystem in Frage zu stellen. Lässt sich Alice Schwarzer als richterliche Bildente vor den Karren spannen?

Bevor die Medien die Öffentlichkeit wach küssten und den Wetterfrosch Jörg Kachelmann als Liebesprinz zahlreicher Frauen enttarnten, ihn in erster und einzigster Instanz der Vergewaltigung schuldig sprachen, gab es für die Urteilsfindung Gerichte. Ganz unten standen die Amtsgerichte, dann kamen die Landgerichte. Und über ihnen thronten die Oberlandesgerichte sowie der BGH, die die Urteile ihrer Kolleginnen und Kollegen niederer Instanzen kritisch unter die Lupe nahmen und ihnen gelegentlich um die Ohren hauten. Damit ist nun Schluss. Wir haben eine Neue Mediale Justiz.

Alice Schwarzer ist in der Robe einer Bildente auf der medialen Gerichtsbühne erschienen. Auch wenn sie es vielleicht selbst nicht mehr wahrhaben will, der Eindruck vom unerschütterlichen Willen zur Schuldsprechung in einziger und höchster Instanz einer Neuen Medialen Justiz drängt sich auf. Glamourös erscheint schon jetzt der revolutionäre Mediensieg über die alte Gerichts- und Rechtsordnung.

Endlich ist in Deutschland Feierabend mit den alten rechtsstaatlichen Grundsätzen der Unschuldsvermutung oder der Bindung der Richter an Recht und Gesetz. Als medial erwählte, richterlich fungierende Bildente scheint ihr Wille zur Verurteilung oberste Priorität zu haben. Das richterlich richtige Ergebnis bei der Wahrheitsfindung bestimmt sich nicht mehr an den Gesetzen, sondern an der Höhe verkaufter Zeitungsexemplare. Oder ist sonst ein wichtigerer Grund für die mediale Massenhysterie erkennbar?

Steht hier ein Wetterfrosch als Angeklagter vor einer Bildente als seine Richterin? Unfreiwillig ist der Wetterfrosch wohl eher der Stein, die Bildente das freiwillige Wekzeug, mit dem die Neue Mediale Justiz ihn zum Billigkunstwerk behauen lässt und durch Verkauf Millonengewinne für die Verlage einfährt.

Die alte Justiz erweist sich schon jetzt als Verlierer und ist der Sache nicht mehr gewachsen. Sie ist nicht in der Lage gewesen, Verfahrensakten vor geilen Medienaugen unter Verschluss zu halten. Und wie sollen Richter Unvoreingenommenheit bei der Wahrheitsfindung wahren können, wenn sie täglich mit medialen Theorien, Vermutungen und Halbwahrheiten zur vermeintlichen Schuld des angeblichen Täters und zur Glaubwürdigkeit eines vermeintlichen Opfers zugemüllt werden?!

Für Strafverteidiger gilt der Grundsatz: Es gibt kein Urteil, dass es nicht wert ist auf seinen Unwert überprüft zu werden. Urteile medialer Bildenten ausgenommen.

Vielleicht macht diese Entenjagd manch einem Freude. Mir macht sie Angst.

Ulrich Dost
Rechtsanwalt