Cannabisbesitz im Haftraum ist zulässig, so das Kammergericht Berlin im Urteil v. 28. Mai 2025 – 5 ORs 17/25.
Das Kammergericht Berlin entschied mit Urteil vom 28. Mai 2025 (5 ORs 17/25 / 121 SRs 31/25), dass der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis durch einen Strafgefangenen in seinem Haftraum nicht straf- oder ordnungswidrig sei, soweit er unter das Konsumcannabisgesetz (KCanG) fällt.
Sachverhalt
Ein Strafgefangener war in seiner Zelle im Justizvollzug dabei ertappt worden, etwa 45 Gramm Cannabisharz aufzubewahren (Cannabisbesitz in der Haft). Er gab an, es diene seinem Eigenkonsum. Das Amtsgericht Tiergarten sprach ihn frei, mit der Begründung, dass der Haftraum im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG als „gewöhnlicher Aufenthalt“ zu werten sei. Die Staatsanwaltschaft beanstandete, ein solches Verständnis sei nicht mit dem Gesetz vereinbar. Das Kammergericht bestätigte schließlich den Freispruch.
Begründung
Das Kammergericht stellte im Kern auf die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 1 Nr. 17 KCanG ab, die auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse abstelle und nicht darauf, ob der Aufenthalt freiwillig oder unfreiwillig ist. In Fällen längerer Haft (die dem Gefangenen zugewiesene Zelle) bestehe durchaus ein entsprechender Bezug zur Örtlichkeit – damit werde der Haftraum zum gewöhnlichen Aufenthaltsort des Inhaftierten.
Der Umstand, dass der Inhaftierte unfreiwillig untergebracht sei oder dass sein Wohnbereich staatlicher Kontrolle unterliege, führe nicht dazu, dass der Schutzbereich der Regelung ausgeschlossen werde. Auch temporäre Unterbrechungen wie Hafturlaub oder eine Rückkehr ins Privatwohnung vermag den gewöhnlichen Aufenthalt nicht zu durchbrechen.
Das Gericht nahm ausdrücklich Bezug auf frühere Entscheidungen, insbesondere auf den BGH-Beschluss vom 14. Dezember 2011 (XII ZB 521/10), der bei der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts in einer stationären Einrichtung bereits eine Analogie für Justizvollzugsanstalten aufgezeigt hatte.
Bedeutung und praktische Implikationen
Mit seiner Entscheidung öffnet das Kammergericht die Reichweite des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auch in den Strafvollzug hinein, zumindest begrenzt für Mengen bis 50 Gramm im Haftraum. Beim Besitz solcher Mengen entfällt damit die strafrechtliche Verfolgung bei Cannabisbesitz in der Haft.
Dennoch bleibt offen, ob und in welchem Umfang Disziplinarmaßnahmen oder vollzugliche Sanktionen (z. B. Einschränkungen von Rechten, Lockerungen etc.) möglich sind – das KG stellte klar, dass das Urteil die Zuständigkeit der Anstaltsleitung und deren Hausordnungen nicht berührt. Dies bedeutet, dass die Anstaltsleitung Besitz und Konsum untersagen und Verstöße auch ahnden kann.
Das Urteil wirft zudem wichtige Fragen auf, etwa wie weit der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ im KCanG in kontrollierten Institutionen greifen kann und welche Grenzen für den Gesetzgeber und die Rechtsprechung gelten, wenn Freiheitsbeschränkungen bestehen. Für Strafverteidiger ist diese Entscheidung relevant, weil sie neue Argumente gegen strafrechtliche Verfolgung im Haftbereich bietet und mögliche Verteidigungsoptionen erweitert.