Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung
Rechtsanwalt Oliver Marson

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung bei schweren Sexualstraftaten und Gewaltstraftaten

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung bei schweren Sexualstraftaten und Gewaltstraftaten ist begrüßenswert. Denn bisher blieben Personen auch nach Verbüßung ihrer Strafe wegen schwerster Sexualstraftaten (sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, sexueller Mißbrauch von Kindern und Gewaltstraftaten weiter weggesperrt und weiter im Strafvollzug, abgeschottet, ohne Möglichkeit und Rechtsanspruch auf therapeutische Behandlung.

Unter anderem diesen Umgang mit solchen Personen hat das Bundesverfassungsgericht nun einen Riegel vorgeschoben:

So muss der Vollzug der Sicherungsverwahrung zukünftig freiheitsorientiert und therapiebegleitet sein . Die erforderliche therapeutische Behandlung muss bereits während des vorangehenden Strafvollzugs beginnen, intensiv durchgeführt und in der Sicherungsverwahrung fortgeführt werden. Betroffenen muss ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung einer Therapie gewährt werden. Auch hat die Sicherungsverwahrung nicht mehr wie in einem Gefängnis unter Bedingungen wie im Strafvollzug zu erfolgen.

Mit diesem Urteilsspruch ist das Bundesverfassungsgericht der staatlichen Praxis zum immer weiteren Ausbau des Verwahrvollzugs und des »Wegsperrens für immer« mit Deutlichkeit entgegengetreten. Das Bundesverfassungsgericht reagiert damit nicht nur auf die Kritik des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der die Regelungen zur Sicherungsverwahrung teilweise als menschenrechtswidrig kritisiert hat, sondern gibt auch der Kritik jener Kriminologen und Strafverteidiger Recht, die das Instrument der Sicherungsverwahrung seit Jahren ablehnen.

Der Staat muss nun neue gesetzliche Regelungen schaffen, die den vom Verfassungsgericht vorgegeben Forderungen entsprechen. Zu erwartende Talkshow – Meinungen mit Biertischmanieren und Meinungsmache der Boulevardpresse gegen eine Humanisierung der bisherigen Praxis werden dabei – hoffentlich – die Gesetzgebung nicht beeinflussen. Für die Gesellschaft können gesetzliche Regelungen, die neben Strafe Therapie möglich machen, eher Vorteile als Nachteile erwachsen. Geht es doch letztlich darum, Gefährdungspotential abzubauen statt es angestaut weiter existieren zu lassen.

Die vollständige Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier.

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