Pressemeldung vom 07.06.2010
Körperverletzung im Amt – Zweifel an Unschuld der Justizvollzugsbeamten der JVA Brandenburg nun auch vom BGH geäußert. BGH hält „massivere weitere Verdachtsfälle“ gegen JVA-Bedienstete für möglich.
Stellt sich jahrelange Verfahrensverschleppung durch Brandenburgische Justiz als Strafvereitelung dar?
Ein ehemaliger Inhaftierter zeigte Mitarbeiter der JVA Brandenburg an, ihn 1999 während seiner dortigen Haftzeit mehrfach geschlagen zu haben. Die Ermittlungen wurden zunächst über sechs Jahre verschleppt. Nachdem die Medien Misshandlungsfälle von Inhaftierten eben in dieser JVA öffentlich anprangerten, erhob die Staatsanwaltschaft Potsdam endlich im Februar 2005 – und somit 6 Jahre nach den vermeintlichen Vorfällen – Anklage gegen 13 Justizvollzugsbeamte der JVA Brandenburg wegen Körperverletzung im Amt in drei Fällen.
Es vergingen nach Anklageerhebung weitere drei Jahre, in denen die Anklage am Potsdamer Landgericht regelrecht verstaubte. Erst 2008 verhandelte das Gericht die Anklage und kam nach fast 30 Hauptverhandlungstagen zu dem wenig verblüffenden Urteil, wonach alle 13 Angeklagte freizusprechen wären.
Deswegen nicht verblüffend, weil Vorgänge, um so länger sie zurückliegen, immer schwerer aufzuklären sind.
Die gegen das Urteil durch meinen Kollegen Ulrich Drewes und mich für den Nebenkläger (vermeintl. Tatopfer) eingelegte Revision hat der BGH nun als unbegründet verworfen und führt im wesentlichen zur Begründung die Verfahrensverzögerung an. Auch das kann nicht überraschen.
Der nun gefällten Entscheidung ist jedoch auch zu entnehmen, dass die Richter des BGH massive Verdachtsmomente gegen Justizvollzugsbeamte nach wie vor sehen und offensichtlich schon deshalb nicht von ihrer Unschuld ausgehen, auch wenn von einer wegen der Zeitverzögerung nicht mehr aufklärbaren Situation auszugehen ist. So wird in der Begründung ausgeführt:
„Etwaige auch massivere weitere Verdachtsfälle gegen hier Angeklagte konnten bei der gegebenen tatbezogenen Beweislage ersichtlich keine Überführung im Sinne der – spät erhobenen und noch sehr viel später verhandelten – Anklage erbringen.“
Diesen Ausführungen des BGH gibt es nicht viel hinzuzusetzen. Nur ergänzend meine ich anmerken und fragen zu müssen:
Ohne Verschleppung der Ermittlungen, ohne Verschleppung der Anklageerhebung und der Verhandlung über einen Zeitraum von letztlich 9 Jahren bis zur Urteilsverkündung halte ich noch heute daran fest, dass bei zeitnaher Beweiserhebung ein Schuldspruch der nun freigesprochenen Angeklagten eher wahrscheinlich gewesen wäre als ihr Freispruch.
Und wer war für diese der Justiz unwürdigen Verfahrensverschleppung verantwortlich? Werden diejenigen zur Verantwortung gezogen, die Verantwortung getragen haben? Wirft nicht der äußere Blick auf diese extrem lange Zeitverzögerung die Frage einer eventuellen Strafvereitelung auf? Wann wird es auf solche Fragen Antworten geben?
An einer befriedigenden Reaktion auf diese Fragen dürften diejenigen Anwälte, Richter und Staatsanwälte gleichermaßen interessiert sein, die an einer funktionierenden Strafjustiz Interesse haben.
Ulrich Dost
Rechtsanwalt