Rechtsanwalt, Berlin, Weiden Strafrecht, Misshandlung, Totschlag, Mord, Zeugin
Rechtsanwalt Oliver Marson

Zeugin bekundet diffuses im Weidener Totschlagsprozess

In dem vorgestern (11.10.16) vor dem Landgericht Weiden begonnenen Strafprozess hat der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Totschlag eines neunjährigen Jungens bestritten. Näheres zum Sachverhalt findet sich hier und hier.

Mutter wurde als Zeugin vernommen

Am gestrigen zweiten Prozesstag (12.10.16) wurde die Mutter zeugenschaftlich vernommen. Etwa 6 Stunden musste sie sich den Fragen des Gerichts, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft stellen. Und die lange Vernehmung hatte ihre Ursachen: Die polizeilichen Zeugenvernehmungen weisen eine unübersehbare fehlende Konstanz auf. Sie sind gekennzeichnet durch lückenhafte Darlegungen. Lange Zeit gab sie an, sich an die Vorfälle nicht erinnern zu können und beharrte auf einem Unfall beim Duschen, bei dem der Sohn ausgerutscht und so zu Tode gekommen sei. Erst viel später kippte ihr Aussageverhalten. Plötzlich sei es der Angeklagte gewesen, der den Sohn im Badezimmer geschlagen habe. Allerdings habe sie das nicht gesehen, sondern nur gehört. Es seien dumpfe Geräusche und Schreie ihres Sohnes zu hören gewesen. Die diesbezüglichen Bekundungen sind von kaum zu überbietender Detailarmut gekennzeichnet. Die Frage der Vernehmungsbeamten, warum sie in dieser Situation den Ort des Geschehens verließ, in ein Krankenhaus fuhr und sich dort stationär aufnehmen ließ, jedoch die Polizei nicht verständigte, konnte sie schon damals nicht aus eigenem Antrieb beantworten. Auch bei ihrer heutigen gerichtlichen Vernehmung stellte sich die Aussagequalität nicht anders als bei der Polizei dar: detailarm, inkonstant, lückenhaft, widersprüchlich, unschlüssig und lebensfremd.

Aussage gegen Aussage

Aus Sicht der Verteidigung ist zum jetzigen Zeitpunkt der Beweisaufnahme von einer Aussage gegen Aussage Konstellation auszugehen. Der Angeklagte beschuldigt die Zeugin und Mutter der Tat, die Mutter den Angeklagten. Allerdings gibt es einen qualitativen Unterschied: während die Bekundungen der Zeugin die vorgenannten Schwachpunkte hinsichtlich der Glaubwürdigkeit aufweisen, sind die Einlassungen des Angeklagten detailreich, logisch, schlüssig und jedenfalls bisher nicht wiederlegbar.

Ist die Zeugin die Täterin?

Weil zum relevanten Zeitpunkt nur die Zeugin und der Angeklagte am Tatort waren, kann auch nur einer von beiden oder – alternativ -könnten beide Täter sein. Der Prozess ist ergebnisoffen. Die Darstellung in diesem Fernsehbeitrag, wonach die Mutter den Angeklagten schwer belaste, dürfte unter juristischen Gesichtspunkten so indifferent jedenfalls nicht haltbar sein.