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Rechtsanwalt Oliver Marson

Öffentlichkeitsinteresse und Sexulastraftaten

Das Öffentlichkeitsinteresse für Strafverfahren mit Vorwürfen der Vergewaltigung und  mit anderen Sexualstraftaten ist hoch. Das ist auch nachvollziehbar, denn sie gehören zu den besonders abscheulichen Verbrechen, die ein  Mensch einem anderen Menschen antun kann.

Die Medienberichterstattung bei Sexulastraftaten

Entsprechend dem hohen Öffentlichkeitsinteresse wenden sich die Medien diesem Thema auch regelmäßig zu. Inhaltlich gibt die Medienberichterstattung – jedenfalls aus meinem Blickwinkel – keinen wirklichen Einblick in die Strafverfahren. So werden oft die Persönlichkeiten der an der vermeintlichen Vergewaltigung beteiligten Personen ausgespart. Der Fokus der Berichterstattung liegt dann auf einer kurzen Darstellung des angeblichen Tatgeschehens. Manchmal scheint es so, als ob den Medien nur wichtig ist, ob ein Angeklagter ein Geständnis ablegt oder den Tatvorwurf abstreitet und welche Strafe ihn erwartet. Ein Beispiel dieser aus meiner Sicht sehr verkürzten Darstellungsweise fand sich gerade auf „Spiegel online„. Dort wurde über ein Strafverfahren wegen Vergewaltigung am Landgericht Stade wie folgt berichtet:

„Stade – Ein 22-Jähriger muss sich vor dem Landgericht Stade verantworten. Der Tischlergeselle soll eine Jugendliche und eine junge Frau vergewaltigt haben. Die Fahnder entdeckten bei ihm zudem ein Smartphone, auf dem sich zahlreiche Fotos beider Taten befanden. „Das belastet ihn natürlich zusätzlich“, sagte Gerichtssprecher Ulrich Ganzemüller. Auf einigen Fotos sei der junge Mann selbst erkennbar. Der Angeklagte hat für den nächsten Verhandlungstermin ein Geständnis angekündigt. „Er steht zu seinen Taten und wird alles dafür tun, das Verfahren abzukürzen“, sagte sein Verteidiger dem lokalen „Wochenblatt“. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22-Jährigen vor, im Februar eine 14-Jährige vor einer Sporthalle in Buxtehude abgefangen zu haben. Vor einigen abgelegenen Garagen soll er sie dann vergewaltigt haben. Etwa zwei Wochen später soll er am frühen Morgen auf einem Schulhof eine 20-Jährige angegriffen, entkleidet und missbraucht haben. Außerdem verletzte er sie laut Anklage im Gesicht und fügte ihr eine Rippenprellung zu. Die Ermittler konnten an den Tatorten DNA-Spuren sicherstellen. Mitte März nahmen sie den Verdächtigen fest.“

Motiv, Persönlichkeitsstruktur, Schuldfähigkeit und Umstände der Tat bei Vergewaltigung

Ich meine, dass zu einer soliden Berichterstattung über oder über Verfahren, die andere Sexualstraftaten zum Gegenstand haben, auch Informationen zu den Umständen der Tat, zur Persönlichkeit des Angeklagten und des vermeintlichen Opfers, zum Motiv, zu seelische Erkrankungen und somit zur Schuldfähigkeit gehören. Und ich bin der festen Überzeugung, dass Leser mit Interesse Informationen über diese Fragestellungen aufnehmen würden, wenn mann sie ihnen aufbereitet darstellen würde.

Die vermeintlichen Sexualstraftaten verlangen mehr Aufmerksamkeit

Ich meine, dass es keine Rechtfertigung für Sexulastraftaten geben kann. Aber eine öffentliche Berichterstattung sollte Aufklärung zum Ziel haben, nicht Sensationsbefriedigung. Mit Letzterer wurde die Öffentlichkeit so manches Mal im Regen stehen gelassen. Der Kachelmann-Prozess ist das wohl schwerwiegendste Beispiel dafür. Und über die Hintergründe solcher Straftaten ist in der Bevölkerung wenig bekannt. Schnell erfolgen Vorverurteilungen des wegen Vergewaltigung vor Gericht stehenden Angeklagten. Mögliche Falschbezichtigungen „falscher Opfer“ sind nicht selten, die Dunkelziffer ist hoch. Ich meine, das sind überdenkenswerte Überlegungen für ein mehr an Berichterstattung.