Die Urteilsaufhebung durch den BGH in einem Verfahren wegen Kindstötung (Totschlag) beruhte auf rechtsstaatswidrigen Vernehmungsmethoden der Polizei, die das Landgericht Berlin nicht berücksichtigte. Rechtsanwalt, Strafrecht, Mord, Revision, Berlin, Ermittlungsverfahren, Haftbefehl, Haftverschonung, Erfahrener Rechtsanwalt, Strafverteidigung, Anwalt, Strafverteidiger, fahrlässige Tötung, Revision
Rechtsanwalt Oliver Marson

Urteilsaufhebung wegen rechtsstaatswidriger Vernehmungsmethode

Die Urteilsaufhebung durch den 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (5 StR 296/14) erfolgte mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 und betraf das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. November 2013. Die 29. große Strafkammer hatte  unter dem Vorsitzenden Miczaijka meine Mandantin wegen Totschlags ihres Neugeborenen  zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen, das Kind unmittelbar nach der Geburt erstickt zu haben (Neonatizid).

Rechtsstaatswidrige Vernehmungsmethode führte zu „Geständnis“

Die Verurteilung beruhte ausschließlich auf einem „Geständnis“, das die Kriminalbeamten der Mandantin bei einer nächtlichen Beschuldigtenvernehmung am Krankenbett unter skurrilen Umständen abtrotzten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie über 38 Stunden nicht geschlafen und stand unter dem Einfluss schlaffördernder Medikamente.

Verwertungswiderspruch stieß bei Landgericht Berlin auf taube Ohren

Der von mir als Verteidiger am ersten Hauptverhandlungstag  auf § 136a StPO gestütze Verwertungswiderspruch der Beschuldigtenvernehmung bzw. der Zeugenaussagen der Vernehmungsbeamten führte zu unsachlichen Reaktionen und Bemerkungen des Vorsitzenden. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war völlig überfordert. Ich berichtete darüber bereits hier.

Willkürliche Verneinung des Beweisverwertungsverbots durch das Landgericht

Die Begründung des Landgerichts Berlin zur Verneinung des Verwertungsverbots erschien mir damals bereits als willkürlich und unter Zugrundelegung der konkreten Umstände als schlicht abwegig. So wurde argumentiert,  die Mandantin sei  trotz der langen Schlaflosigkeit vernehmungsfähig gewesen. Nach Aussagen der Vernehmungsbeamten habe sich die Mandantin zu Beginn der Vernehmung in einem „erstaunlich guten Zustand” befunden. Auch habe eine Gynäkologin im Vorfeld der Vernehmung im Krankenhaus den Polizeibeamten mitgeteilt, die Angeklagte sei “vernehmungsfähig”. Im übrigen habe die Angeklagte in der Vernehmung detaillierte Angaben getätigt, was auf ihre “Vernehmungsfähigkeit” schließen lasse.

Revision auf Verletzung des § 136a StPO getützt

Die über 300 Seiten umfassende Revisionsbegründung stützte sich nicht nur, aber vornehmlich auf die Verletzung des § 136a StPO.

Urteilsaufhebung – BGH findet klare Worte!

Der BGH hat nun mit Beschluss vom 26. Oktober 2014 das Urteil aufgehoben. Und der 5. Strafsenat folgte nicht nur der Auffassung der Verteidigung. Vielmehr fand er klare Worte, warum und weswegen“es auf der Hand lag, dass die Angeklagte einer immer wieder und immer energischer geführten konfrontativen Befragung wegen ihres Erschöpfungszustandes nicht mehr in freier Willensbetätigung würde standhalten können“.

Erneute Hauptverhandlung am Landgericht Berlin

Nach der Urteilsaufhebung wird es nun zu einer neuen Hauptverhandlung vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts kommen. Das Ergebnis bleibt offen. Dennoch ist dieser Erfolg als eine Stärkung der Rechte der Angeklagten zu sehen. Auch hat sich gezeigt, dass der Widerstand der Strafverteidiger gegen verurteilungswillig in Erscheinung tretende statt konsequent Recht anwendende Richter von Erfolg gekrönt sein kann. Ich werde weiter berichten. Der Beschluss ist hier nachzulesen.