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Rechtsanwalt Oliver Marson

Strafanzeige wegen Strafvereitelung

In dem Strafprozess am Landgericht Weiden waren letzten Freitag die Plädoyers fällig. Der Staatsanwalt plädierte  wegen Misshandlung und Mord eines Kindes auf eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Tötung sei aus niedrigen Beweggründen erfolgt.

Wer war der Täter

Der Angeklagte hatte die Tat bestritten. In einer 30 seitigen Einlassung legte er zu Prozessbeginn vor 3 Wochen dar, wie die Mutter ihr eigenes Kind getötet habe. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft verzichteten weitestgehend darauf, den Angeklagten persönlich nach der Verlesung der Einlassung zu befragen. Für den Staatsanwalt stand nach seinem Plädoyer fest, dass der Angeklagte der Täter war. Das war auch logisch. Jedenfalls für ihn, nicht für den Strafverteidiger.

Strafverteidiger stellt Strafanzeige gegen Staatsanwalt

Das Plädoyer der Verteidigung ging von einer Aussage gegen Aussage Konstellation aus. Die Einlassungen des Angeklagten waren nicht widerlegt worden. Im Hinblick auf Dutzende Falschaussagen der Mutter war diese aus hiesiger Sicht völlig unglaubwürdig.

Also forderte ich einen auf den Zweifelsgrundsatz gestützten Freispruch. Der spezifischen Logik des Staatsanwalts hinsichtlich der Schuld des Angeklagten bleibt wegen seiner Absurdität ein gesonderter Beitrag vorbehalten.

Tatsache ist, dass die Anklagebehörde in Kenntnis der Anwesenheit der Mutter am Ort des Geschehens nie auf den Gedanken kam die Sache mit zwei Augen zu betrachten. So sagte ein Vernehmungsbeamter auf meine Frage nach dem „warum“ für unterlassene Ermittlungen in Richtung der Mutter merkwürdiges aus. Die Frage habe sich nicht gestellt. Der Staatsanwalt habe angewiesen nur gegen den Angeklagten zu ermitteln. Der sei vorbestraft und als gewalttätig bekannt. Die Mutter dagegen sei ein unbeschriebenes Blatt. Daher konnte es mit dieser beschränkten Logik des Staatsanwalts auch nur einen Täter geben. Das machte ich ihm während des Plädoyers zum Vorwurf. Und da dieser Vorwurf keinen Showeffekt für die Medien im Saal darstellte, erstattete ich Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt.

Strafanzeige gegen die Mutter und Nebenklägerin

Auch gegen die Mutter stellte ich während des Plädoyers Strafanzeige. Nämlich wegen des Verdachts des Totschlags oder der fahrlässigen Tötung jeweils durch Unterlassen und wegen unterlassener Hilfeleistung. Denn wenn die Mutter, wie sie bekundete,  die Schreie ihres Kindes und Schläge „wie gegen einen Boxsack“ gehört hatte, hat sie dich danach tatverdächtig gemacht. So habe sie nach diesen Wahrnehmungen die Wohnung verlassen. Mit dem Auto fuhr sie ins Krankenhaus und ließ sich dort stationär aufnehmen. Sie hatte ein 3 x 3 cm kleines Hämatom am Kopf. Die Kopfhaut war nicht eingerissen. Hilfe für ihren Sohn holte sie nicht. Der Sohn verstarb Stunden später an seinen erlittenen Kopfverletzungen. Bei der Reanimation 8 Stunden später war der Körper des Jungen noch warm. Wenn hypothetisch der Angeklagte die Kopfverletzungen verursacht hat, dann wäre zu untersuchen gewesen, ob sich die Mutter im Sinne der nun erfolgten Strafanzeige mitschuldig gemacht hat.

Urteil wie Antrag des Staatsanwalts

Die Schwurgerichtskammer hatte nach 9 Verhandlungstagen und Dutzenden vernommenen Zeugen sowie Sachverständigen eine harte Nuss zu knacken. Das merkte man besonders an der selten langen Urteilsberatung, die wie ein Marathonlauf ohne Pause bemerkenswerte 45 Minuten (nicht Stunden!) andauerte. Freitag ab eins macht jeder seins. Das Urteil war schnell verkündet. Dann war endlich Wochenende. Die mündliche Begründung werde ich niemandem vorenthalten. Fortsetzung folgt.