Rechtsanwalt, Befangenheitsantrag, Berlin, Weiden Strafrecht,, Strafprozess, Besorgnis der Befangenheit Misshandlung, Totschlag, Mord, Zeugin
Rechtsanwalt Oliver Marson

Befangenheitsantrag wegen Interview vor Prozessbeginn

Ein Fernsehinterview eines Mitglieds der 1. Schwurgerichtskammer war Anlass für einen Befangenheitsantrag in dem Weidener Strafverfahren wegen Totschlags bzw. Mordes eines Kindes.

Sachverhalt zum Befangenheitsantrag

Am 11.10.2016 gab ein beisitzender Richter  dem Fernsehsender „Oberpfalz TV“ ein Interview. Dieses Interview gab er gegen 8:45 Uhr des 11.10.2016 und somit vor Beginn des Strafprozesses, der auf 9:00 Uhr des gleichen Tages terminiert war. Der ihn interviewende Fernsehjournalist stellte dem Richter folgende Frage zu dem anstehenden Strafprozess: „Was ist das mögliche Strafmaß bei einer Verurteilung?“

Die Frage beantwortete der Richter Herr  wie folgt: „Bei einer Verurteilung wegen Mordes wäre als Strafe die lebenslange Freiheitsstrafe auszusprechen, im Falle einer Verurteilung wegen Totschlags wäre eine Freiheitsstrafe  zwischen 5 und 15 Jahre, im besonders schweren Fall auch lebenslänglich möglich.“

Die Gründe für den Befangenheitsantrag

Mein Mandant ließ daraufhin gegen den interviewten Richter einen Befangenheitsantrag stellen und begründete ihn im wesentlichen wie folgt.

Alternativlose verurteilung wegen Totschlag oder Mord

Die Ausführungen des Richters vermitteln den Eindruck fehlender Objektivität und bereits erfolgter Festlegung auf eine alternativlose Verurteilung entweder wegen Totschlags oder Mordes. So beinhalten seine Äußerungen lediglich Ausführungen zum unterschiedlichen Strafrahmen bzw. Strafmaß bei diesen beiden Straftatbeständen.

Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ausgeschlossen

Der Eindruck einseitiger Festlegung auf Verurteilung wird auch dadurch hervorgerufen, dass die Ausführungen des Richters eine alternative Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge vermissen lassen.

Auch berücksichtigte der Mandant die völlig allgemein gehaltene Fragestellung des Journalisten.  Dabei wurde ohne jegliche Bezugnahme und Begrenzung auf konkrete Straftatbestände lediglich das mögliche Strafmaß im Falle einer Verurteilung hinterfragt.

In diesem Kontext ist der Mandant der Auffassung, dass ein Richter in jeder Situation eines laufenden Strafverfahrens seine Objektivität und Unparteilichkeit bei Beantwortung der Frage nach außen unter Beweis zu stellen hat. Daraus ergibt sich zwingend die Anforderung an jeden Richter, bei einer – wie hier – völlig allgemein gehaltenen Fragestellung zum Strafmaß der Antwort durch konkretisierende und ergänzende Angaben einen Inhalt zu verleihen. Nur so können Zweifel an der Objektivität und Unparteilichkeit vermieden werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Fehlende Unparteilichkeit des Richters

Unparteilich wäre die Antwort nur dann gewesen, wenn der Richter unmissverständlich klargestellt hätte, dass das Gericht in der noch anstehenden Beweisaufnahme zunächst zu einem Schuldspruch kommen müsse und nur dann eine Verurteilung in Betracht käme. Die Möglichkeit eines Freispruchs wird von dem Richter erst gar nicht erwähnt.

Anschließend und mindestens wäre es erforderlich gewesen zum Ausdruck zu bringen, dass sich das Strafmaß – sollte ein Schuldspruch erfolgen – eben auch aus einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und eben nicht nur aus dem für Totschlag und Mord vorgesehenen Strafrahmen ergeben kann.

Anforderungen an Richter bei öffentlichen Äußerungen

Kein Richter ist verpflichtet, Fragen in der Öffentlichkeit zu beantworten. Wenn er sich aber dazu entscheidet, ist er dazu verpflichtet, seine Unparteilichkeit unter allen Umständen unter Beweis zu stellen. Gerade deshalb wäre es erforderlich gewesen, der allgemein gehaltenen Fragestellung einen konkretisierenden Antwortinhalt hinzuzufügen.  So aber erweckten die begrenzten Ausführungen den Eindruck, der Richter habe sich schon vor Prozessauftakt und vor Beweisaufnahme festgelegt. Entweder Verurteilung wegen Mordes oder wegen Totschlags, wobei nur noch über das Strafmaß in Abhängigkeit der Anwendung des jeweiligen Straftatbestandes zu entscheiden ist. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge scheint bereits ausgeschlossen.

Gericht wies Befangenheitsantrag zurück

Die Gründe, mit dem der  Befangenheitsantrag abgewiesen wurden, fielen knapp aus. So sei der für befangen erklärte Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan der Pressesprecher des Gerichts. In dieser Eigenschaft habe er sich öffentlich  geäußert. Das müsse ein verständiger Angeklagter erkennen. Auch habe er im Interview nicht erwähnen müssen, dass auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht käme.  Denn die Anklage ginge von Totschlag aus und der Eröffnungsbeschluss enthalte einen rechtlichen Hinweis. Danach käme auch Mord aus niedrigen Beweggründen in Betracht.

Befangenheitsantrag und Revision

Jeder mag seine Meinung zu den Gründen im Befangenheitsantrag und im Beschluss des Gerichts haben. Hier jedenfalls überzeugt die Begründung des Landgerichts weder den Angeklagten noch den Strafverteidiger. Sollte es notwendig sein, ist das sicherlich ein Thema mit Potential für die Revision vor dem BGH.